Gegen Manterrupting und für Teilhabe
Wir sprechen von Meetingkultur, von effizienten Sitzungen – aber sprechen wir auch von Teilhabe? Von Sprechanteilen? Von Zuhörverhalten? Gendersensible Meetings sind kein „Nice to have“. Sie sind der Schlüssel für bessere Ergebnisse – und für eine gerechtere Arbeitswelt.
Wer in Sitzungen regelmäßig unterbrochen wird, äußert sich irgendwann gar nicht mehr. Und wer nie gehört wird, zieht sich innerlich zurück. Männer unterbrechen Frauen in Gesprächen deutlich häufiger als umgekehrt. Diesen „Manterrupting“ genannten Effekt belegt ua eine Studie der George Washington University. Männer und Frauen werden in jeweils dreiminütigen Gesprächen beobachtet. Das Ergebnis: Männer unterbrachen ihre weiblichen Gesprächspartnerinnen im Schnitt 2,6 Mal pro Gespräch, während Frauen Männer durchschnittlich nur einmal unterbrachen. Bei Gesprächen unter Männern lag die Zahl der Unterbrechungen bei etwa zwei (mehr dazu im Artikel von Anne Shoemaker “Manterrupting: How To Take Your Power Back” und im Forbs-Artikel “Gal Interrupted, Why Men Interrupt Women And How To Avert This In The Workplace”). Weitere Details zur Methodik und den exakten Zahlen finden sich auch in der wissenschaftlichen Zusammenfassung von Arin N. Reeves (“Mansplaining, Manterrupting & Bropropriating: Gender Bias and the Pervasive Interruption of Women”, 2015)
Eine Untersuchung an der Northwestern University ergab, dass männliche Richter des US-Supreme Courts ihre Kolleginnen etwa dreimal so häufig unterbrechen wie ihre männlichen Kollegen. Die Studie analysierte 15 Jahre an Protokollen aus dem Supreme Court und zeigte, dass rund 65% aller Unterbrechungen weiblichen Richtern gelten, obwohl sie deutlich weniger als ein Drittel des Gerichts stellen. Eine Zusammenfassung und aktuellen Vergleich können Sie in diesem Artikel nachlesen.
Was es braucht, damit alle wirklich mitreden können
Klare Regeln und eine Evaluierung dieser Regeln sind der erste Schritt zu gendersensiblen Meetings. Antworten auf diese Fragen können helfen:
- Wer spricht in Diskussionen wie lange?
- Wer wird zu Präsentationen eingeladen und bekommt wieviel Zeit dafür?
- Wer wird unterbrochen, wie oft und und von wem?
- Wer bekommt welche Tasks aus dem Meeting und wer keine?
- Wer verfasst das Protokoll, wer übernimmt Organisation eines Meetings und wer hat die Leitung?
Die Evaluierung kann ganz einfach während des Meetings passieren: Fangen Sie mit „Stricherllisten“ an und besprechen Sie diese im Kreis der Teilnehmenden. Was lernen Sie daraus für das nächste Meeting? Die bewusste Steuerung und Einflussnahme in Meetings kann ein idealer Anfangspunkt für eine (gender-)sensible Unternehmenskultur sein.
Nicht zu vergessen ist auch der digitale Raum: Das IHS untersucht derzeit digitale Meetings aus der Genderperspektive und wer hier wie gehört, unterbrochen oder ignoriert wird. Im Projekt unter Leitung von Laura Wiesböck entstand ein Leitfaden für Geschlechtergerechtigkeit in Online-Meetings, der hier zur Verfügung steht: Website des Projekts.