Change & Kommunikation

Wie verändert sich Veränderungskommunikation?

Wie verändert sich Veränderungskommunikation?

Die Kärntner Wirtschaft interviewte im März 2023 Gerhild Deutinger als Change Kommunikations-Expertin. Hier finden Sie das Interview im Volltext.

Veränderung ist das neue Normal. Aber warum fällt es uns so schwer, im Betrieb darüber zu sprechen? Was sind dabei die größten Hürden und Ängste?

Veränderung verursacht Stress. Stress wiederum führt zu einem Mehr an psychischen und physischen Belastungen. In Deutschland wird das von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin auch regelmäßig ausgewertet. Schon 2012 und wieder im Stressreport 2019 wird der Zusammenhang von Wandlungsprozesses mit Beeinträchtigungen von Wohlbefinden und Gesundheit belegt. Manfred Spitzer, ein deutscher Neurowissenschafter, hat es einmal auf den Punkt gebracht: Was auch immer man an Symptomen betrachtet, bei Umstrukturierungen hat man mehr davon!  Und zwar von Symptomen wie Kopf- und Rückenschmerzen, Müdigkeit, Nervosität oder Niedergeschlagenheit.

Das betrifft ganz viele in den Betrieben und Organisationen, nicht nur die „klassischen“ Mitarbeitenden, die die Auswirkung einer Veränderung vorrangig spüren. Das betrifft vor allem die Führungskräfte. Sie fühlen sich zu einem großen Teil für ihre Teams und die Menschen im Betrieb verantwortlich. Ein „beliebter“ Schutzmechanismus heißt: Je weniger die Mitarbeitenden von Wandelideen wissen, desto weniger Stress und desto besser das Teamklima. Leider ist das ein Trugschluss. Denn mit Veränderungen wie mit Gewittern: man spürt sie lange bevor die erste Regentropfen fallen. Und deshalb muss Kommunikation früh ansetzen.

Haben Pandemie, Fachkräftemangel und Digitalisierung die Kommunikation über Veränderung verändert? Was ist heute nicht mehr zeitgemäß?

Wir erleben mehr und mehr reflektierende Unternehmen, die jetzt, postpandemisch sagen: Setzen wir uns zusammen. Reden wir über unsere Lernkurven aus der Corona-Krise und planen wir die bevorstehenden Herausforderungen – vor allem das Generationen- und Übergabemanagement –gemeinsam. In koordinierten Prozessen können wir das Wissen vieler anzapfen und mehr als nur eine Lösung finden. Ich sehe vielfach, dass die Krise als Chance, neu intern zu interagieren, genutzt wird. Ist das nicht eine wunderbare Entwicklung?!

Wenn Sie mich fragen, was nicht zeitgemäß ist: die digitale Transformation legt aus meiner Change-Sicht den Schwerpunkt zu sehr auf das Digitale und zu wenig auf die Transformation. Ich habe vor kurzem einen Betrieb begleitet, der ein digitales Tool zur erstmaligen Arbeitszeiterfassung eingeführt hat. Aus der „IT- und Digital-Brille“ kann man eine solche Veränderung wunderbar in den Sand setzen.

Worauf müssen Betriebe heute in der Kommunikation von Veränderungen achten? Was sind No-Gos (wenn Mitarbeitende zum Beispiel über Social Media von Veränderungen erfahren oder Kündigung per Videocall?)

Tatsächlich habe ich es in 23 Jahren Veränderungsbegleitung noch nie erlebt, dass ein Unternehmen die Mitarbeitenden per Video gekündigt hat. Ich erlebe vielmehr Unternehmensführende, die sehr bedacht und umsichtig sind, was Freisetzungen betrifft und vorher viele Ideen abwägen. Allerdings: jede Veränderung ist von Gerüchten begleitet und diese finden heute auf Social Media ihren Ausdruck. Das bedeutet, dass Mitarbeitende über Medien von außen durchaus mehr erfahren als von innen. Daher spielt mein Thema Change Kommunikation heute eine besonders große Rolle: Wie gestalte ich einen offenen, transparenten, vertrauensbildenden Kommunikationsprozess, wenn die Parameter der Veränderung noch nicht klar sind und gleichzeitig die Geschwindigkeit der Gerüchtebörse exponentiell steigt?

Wenn Sie mich nach den No-Gos fragen: Veränderung klein reden, subjektive Gefühle von Bedrohung lächerlich machen oder die Schuld der Veränderung auf andere schieben oder gar nicht kommunizieren, das geht nicht. Eine Veränderung zu managen, heißt auch, die Emotionen der Betroffenen zu managen. Egal, ob diese überbordend oder gefühlt unangemessen sind.

Homeoffice und Vier-Tage-Woche. Wie schafft man es als Unternehmen nicht die Vertrauensbindung zu seinem Team zu verlieren? Ihr Tipp für die Praxis?

Das ist in der Tat eine der größten Herausforderungen aktuell. Durch Home-Office „verschwindet“ ein Teil der Belegschaft und ist nicht mehr sichtbar. Gleichzeitig nimmt die Teilzeit zu und es werden mehr und mehr „Köpfe“. Wir beraten bereits Unternehmen, die zu 95% aus Teilzeitkräften bestehen, weil die Arbeit belastend und die Nachfrage nach verkürzter Arbeitszeit hoch ist. Von der Idee, dass wir am Standort ein Team in Präsenz vorfinden, das gemeinsam motiviert den Regelbetrieb stemmt und neue Herausforderungen löst, werden sich in den kommenden Jahren nahezu alle Organisationen verabschieden müssen. Die Themen Bindung, Loyalität, Team-Spirit werden aber nicht weniger – ganz im Gegenteil. Das wird Aufgabe der Führung sein, hier neue Konzepte auszuprobieren. Wir sind gerade dabei, mit einem Team, das 30 Teilzeitkräfte statt 12 Vollzeit-Äquivalente hat, an neuen Strukturen und an ganz neuen Kommunikationssetting für die Schnittstellen und den informellen Austausch zu arbeiten. Es braucht noch mehr Kommunikation und Führung, die Experimente zulässt.

Was wäre Ihnen zu dem Thema noch wichtig?

Ob ein Wandel, eine Transformation, eine Restrukturierung oder eine Fusion gelingt, ist von den Führungskräften der Organisationen abhängig – und zwar auf allen Ebenen! Wenn sie es schaffen, die Problemlagen rechtzeitig zu erkennen, Visionen zu teilen, Pfade ins Neue aufzuzeigen und ihre jeweiligen Leute mitzunehmen, dann funktioniert Veränderung. Das ist ein Fulltime-Job! Vielfach sind Führungskräfte aber mit 1.000 Kleinigkeiten befasst und nehmen den Change „nebenbei“ wahr. Das ist der Grund, warum bis zu 7 von 10 Veränderungsvorhaben scheitern.

Eine Kurzversion in der Kärntner-Wirtschaft finden Sie hier:

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