Führungskräfte haben es in der Hand: ob das Team, das Projekt, der Veränderungsprozess toppt oder floppt. Ihre Haltung entscheidet weit mehr als ihre Aktivitäten. Die Management-Literatur hat dafür einen neuen Lieblingsbegriff entwickelt ermutigende Führung. Ermutigung ist eine Grundhaltung, die auf Zuversicht fußt und die Führungskräfte nicht nur ihren MitarbeiterInnen gegenüber, sondern auch sich selbst gegenüber entwickelt sollten. Es geht nicht um ein Mehr an Lob, Zufriedenheit und Anerkennung im Jour Fix. Ermutigung zielt nicht auf bereit Erreichtes, das es hervorzuheben und zu betonen gälte. Ermutigung zielt auf Künftiges. Sie soll den nächsten und übernächsten Schritt begleiten. Vor allem dann, wenn Probleme, Hindernisse oder unlösbar Scheinendes auftritt, brauchen Mitarbeitende Ermutigung. Durchzuhalten, etwas zu wagen, dranzubleiben, sich zu überwinden. Ermutigung wirkt der Resignation entgegen. Wenn Sie mehr über das Thema lesen wollen: Winfried Berner hat mit KollegInnen einen spannenden Ratgeber für eine „Kultur des Wachstums“ verfasst und sich der ermutigenden Führung und wie man sie umsetzt, gestellt: Mehr unter Ermutigende Führung/Berner
Archiv für den Monat: September 2018
Puls messen in der Organisation
Für Mediziner ist die Pulsmessung eine der wichtigsten Untersuchungen. Sie legen ihre Finger auf die Arterie und ziehen so Rückschlüsse auf Frequenz und Qualität des Herzschlags sowie auf die Kreislaufsituation. Pulsmessungen sind auch im Organisationsumfeld machbar und möglich: zu spüren, ob sich die Zahl der Schläge erhöht, ob Auf- oder Erregung herrscht, ob die Stimmung kippt oder ob Gleichklang, Ruhe und Produktivität vorherrschen. Viele Organisationen versuchen über Befragungen herauszufinden, wie es den Mitarbeitenden geht und welche Anliegen, Sorgen und Wünsche sie haben. Auch Fokusgruppen sind ein gerne genutztes organisiertes Instrument. Genauso wichtig erachte ich eine ganz simple Form der Pulsmessung, die jeder Projekt- und Teamverantwortliche, jede Führungskraft jederzeit anwenden kann: das Hinspüren. Kling esoterisch, ist es aber nicht. Beobachten Sie, wie sich Ihr Team im „Ruhezustand“ verhält. Wie gehen die Teammitglieder miteinander um? Wie wird miteinander diskutiert, gelacht, einander geholfen? Was sind die verbindenden Elemente im Team? Wenn Sie eine „Messung im Ruhezustand“ für sich ganz persönlich gemacht – und idealerweise dokumentiert – haben , merken Sie Veränderungen. Sie erleben, wenn der Puls steigt, wenn auf andere Weise diskutiert, gelacht oder einander geholfen wird. Regelmäßig hinzuspüren, sprich konzentriert zu beobachten und zeitgerecht Schlüsse zu ziehen, gehört zur ersten Aufgabe wirksamer Führungskräfte.
Der Pygmalion-Effekt der Führung
Vielleicht kennen Sie die Geschichte noch aus Ihrem Latein-Unterricht oder aus eigenem Erleben? Ovid hielt fest, dass der Künstler Pygmalion von Zypern eine Statue erschuf, in die er sich unsterblich verliebte. Er behandelt das Abbild wie einen echten Menschen bis dieser lebendig wurde. Nach dem Künstler ist der so genannte Pygmalion-Effekt benannt, der in der wissenschaftlichen Literatur als Rosenthal-Effekt oder Versuchsleiter-Erwartungseffekt bezeichnet wird. Er belegt, dass die Erwartung des Lehrenden zu tatsächlich besseren Leistungen des oder der Schülerin führen. Das spannende daran ist, dass nicht (nur) das Urteil des Lehrers etwa in Form guter Noten steigt – die nachweisbare Leistung des oder der Schülerin stieg.
Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson haben in ihren Feldversuchen in den Jahren bis 1966 mehrfach experimentell nachgewiesen, dass ein Lehrer, dem suggeriert wird, einige SchülerInnen seien besonders begabt, diese unbewusst so fördert, dass sie am Ende auch faktisch ihre Leistungen steigern konnten. Ihre Experimente wurden wiederholt und mehrfach bestätigt. Woran liegt das nun genau? Die PädagogInnen im Experiment veränderten ihr Verhalten unbewusst, wenn sie einen Schüler/eine Schülerin als begabt oder positiv einschätzen, glaubten aber neutral zu sein. Die persönliche Zuwendung war höher, die Rückmeldungen häufiger und differenzierter. Die als begabt gesehenen Kinder erhielten zudem Förderung durch angemessene und weitergehende Lerninhalte.
Was lernen wir daraus für die Führung? Wer seinen Mitarbeitenden viel zutraut und hohe Erwartungen an sie hat, ändert unbewußt seinen Führungsstil. Führende, die ihrem Team Höchstleistungen zutrauen, begegnen ihm freundlicher, teilen anspruchsvollere Aufgaben zu, geben informell bessere Rückmeldungen. Als Konsequenz erwartet das Team an sich selbst auch mehr und ist bereit für Herausforderungen , ist motivierter und mutiger. Die „Macht der guten Erwartung“ oder die selbsterfüllende Prophezeiung setzen eine positive Aufwärtsspirale in Gang. Leider gibt es das auch im Negativbereich; der so genannte Golem-Effekt besagt, dass auch eine negative Erwartung sich selbst bestätigen kann. Bei Mitarbeitenden, denen der Vorgesetzte wenig Entwicklungspotenzial zuschreibt, sinken deren Leistungen.
Überlegen Sie also als Führungskraft, wie Sie Ihr Team sehen: als Dreamteam, in das sie hohe Erwartungen setzen, oder als Looser, denen Sie alles tausend Mal erklären müssen. Beides wird Wirklichkeit, wie Pygmalions Statue.