Archiv für den Monat: Dezember 2021

Hybrid an der Feuerstelle meeten

Digital kennen wir. Analog auch. Aber hybrid? Nicht Fisch nicht Fleisch. Meetings, die im Chaos versinken oder eine Gruppe verärgern. Schreibtische, die allen gehören oder keinem. Allein Großraumbüro oder abgeschieden im home-office sitzen.

Damit hybrid funktioniert, braucht es das Bewusstsein, dass es sich um eine Transformation in eine neue Arbeitswelt handelt. Mit einer Vielzahl an Themen und v.a. mit Menschen, die bereit sein müssen, sich auf die Transformation einzulassen.

Wir haben eine Liste an Themen für den Weg zum hybriden Arbeiten zusammengestellt, die es alle zu beachten und bearbeiten gilt:

  • Für die Festlegung der An- und Abwesenheiten braucht es vorab eine Klärung, wieviel synchrone und asynchrone Arbeit von welcher Stelle und welcher Person geleistet werden soll oder kann.
  • Die Rolle des physischen Büros verlangt Beachtung. Vielleicht benötigen Sie neue Raum-Nutzungskonzepte für die drei Funktionen Konzentration, Kollaboration und (informellen) Austausch. Bekommt Ihr Büro-Standort damit einen ganz neuen Wert – als Innovationsplatz oder als Schnittstellen-Klärungs-Zentrum?
  • Spielregeln für hybride Meetings – inkl. neuer Räume: Google nennt seine neuen hybriden Meeting-Räume „camp-fireplaces“. Das sind kreisförmig angelegte Räume, wie in einem Tippi ums Lagerfeuer. Jede*r, egal ob vor Ort oder digital zugeschalten, hat einen gleich großen Platz und Sessel, gesichert durch Bildschirme, die vertikal an der Wand angebracht sind. Sie sehen ein Beispiel von Google im Bild zu diesem Artikel; mehr Informationen finden Sie in der NY Times vom April 2021.
  • Bedeutung der informellen Kommunikation und der Schnittstellen vor Corona war die Kaffeeküche der Lagerplatz von Tratsch und Gerücht. Der Verständlichkeitsforscher Benedikt Lutz meinte einmal: „In der Kaffeeküche und an ähnlichen Orten spielt die Musik, hier werden Meinungen gebildet, Vorurteile verfestigt und auch im mehr oder weniger offenen Dialog Zukunftsängste angesprochen.“ Für die hybride Arbeit haben wir diese Lagerplätze und Umschlagplätze der Meinungen oftmals noch nicht. Dennoch brauchen wir sie mehr als zuvor, denn wir sind nun mal alle Beziehungswesen, die Bestätigung und das Gefühl von Gemeinsamkeit genauso brauchen wie die Möglichkeit Kritik zu artikulieren, auf schnellem Wege Absprachen zu treffen und Meinungen zu spüren.
  • Eine ganz neue Form der Führung hält im Hybriden Einzug: Es muss noch situativer auf die einzelne Person und Funktion eingegangen werden; Ziele sollten kurz-, mittel- und langfristig definiert, klar priorisiert und fair delegiert werden. Gleichzeitig neigen Führungskräfte dazu, Mitarbeiter*innen, die sie im Büro sehen, positiver zu bewerten, ihnen wichtige Projekte eher zuzutrauen – mehr über diesen Proximity Bias und wie man ihn überwindet lesen Sie demnächst auf der Website von impulsbüro.

Der Wechsel in einen neuen, hybriden Modus kann dann gelingen, wenn die Mitarbeiter*innen das Neue-Neu mitgestalten dürfen. Zeit also für partizipative Ansätze! Wir begleiten Sie gerne in diese neue Arbeitswelt.

Foto: google/NY times

Mit der It’s OK-Technik gegen Zoom-Fatigue

Bauen Sie Ihr eigenes Wellbeing Manifesto

Sind sie auch schon ZOOM-fatigue oder Webex-müde? Von einer Vielzahl von Kundinnen und Kunden erreicht uns der Hilferuf, bitte keine Zoom-Meetings mehr abzuhalten, keine weitere MS-Teams Schaltungen und vor allem keine informellen virtuellen Get-togethers, die noch im Herbst/Winter 2020 das Gemeinschaftsgefühl gesichert haben.

Dieses Phänomen kann einerseits auf die so genannte “ZOOM-Fatigue“ zurückgehen, die gerade auch wissenschaftlich untersucht wird. Andererseits sind das „Verschwinden“ der Mitarbeitenden bzw. ihrer wahren Bedürfnisse ein Problem.

Aber der Reihe nach: „Zoom-Fatigue“ beschreibt eine Müdigkeit vor dem Bildschirm, die vor allem auf die fehlenden Interpretationsmöglichkeiten für unser Gehirn, nonverbale Signale richtig zu deuten, zurück zu führen ist. Die Gereiztheit rührt daher, dass dem Gehirn wichtige soziale Signale wie Nicken als Zustimmung oder Schmunzeln für nicht ganz ernstgemeinte Aussagen fehlen; statt dessen haben wir es mit entweder dunklen Bildschirmen oder gemuteten Teilnehmenden, die starr in die Kamera blicken zu tun. „Gestik und Körpersprache gehen bei digitalen Meetings (…) oft verloren. Auch das aktive Zuhören – ein bestätigendes „Hmm“ oder „Achso“ – fehlt in virtuellen Meetings. Denn das eigene Mikrofon ist meist ausgeschaltet, wenn andere sprechen. Zudem fehlt uns der direkte Blickkontakt. Schauen wir auf das Video unseres*r Gesprächspartner*in, sieht er*sie uns mit gesenktem Blick. Blicken wir direkt in die Kamera, wirkt es für unser Gegenüber zwar, als sähen wir uns direkt in die Augen. Wir selbst schauen aber nur in ein grün blinkendes Licht. Wir schauen aneinander vorbei“, so beschreibt die Arbeits- und Organisationspsychologin Nale Lehmann-Willenbrock die Probleme digitaler Besprechungen. Und sie ergänzt: „Gerade in der Multiscreen-Ansicht fällt es uns schwer, das Verhalten von mehreren Menschen gleichzeitig zu dekodieren, denn wir verlieren den Fokus. In der Sprecher*innen-Ansicht kann man sich zwar auf das Gegenüber besser konzentrieren. Uns gehen aber gleichzeitig Reaktionen der anderen verloren, die wir in einem Präsenz-Meeting ganz nebenbei auch am Rande unseres Blickfeldes wahrnehmen würden. (…) Unser Gehirn schüttet weniger Dopamin aus, dafür aber Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin. Das kostet Energie und macht müde.“

Das fehlende Dopamin können wir aber nicht nur der virtuellen Welt zuschreiben. Ein gewisses „Verschwinden“ der Mitarbeitenden und ihrer Bedürfnisse ist gerade im mehrfachen Lock-down zu spüren. Natürlich haben wir mehr Erfahrung im Umgang mit home-office und home-schooling, aber wir wollen nicht mehr. Wollen nicht mehr Einblicke in unsere Wohnungen zulassen. Wollen Kaffee- und Teetrinken ohne Kommentare von anderen im virtuellen Raum zu unserer Tasse. Wollen uns nicht mehr schlecht fühlen, wenn das Kind neben dem Bildschirm turnt oder krank am Schoß von Mama oder Papa turnt.

Einen Ausweg aus dieser Müdigkeit, dem „Verschwinden“ und der mentalen Erschöpfung könnte eine Technik sein, die aus dem Jahr 2016 stammt und vom Government Digital Service Großbritanniens entwickelt wurde. (Umgesetzt von Giles Turnbull  und Sonia Turcotte erfunden wurde. Diese Technik nennt sich „It’s okay to…“ und spricht offen Ermüdungszustände und subjektiven Fragen an, die sich jede und jeder mittlerweile im vierten Lockdown persönlich stellt, aber nicht in der Gemeinschaft adressiert.

Im Ursprungsplakat hieß es „It‘s okay to… ask for help … make mistakes … sing … prefer tea … have off-days … have days off“. Einige Organisationen haben diese Idee für sich adoptiert und als „Well being Manifesto“ umgesetzt. Sie haben alles, was unausgesprochen schwelt und für Unruhe sorgt, diskutiert, formuliert und sichtbar ausgedruckt. Alles, das für die Organisation passt und die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärkt, wurde aufgenommen.

Wäre das nicht eine wunderbare Idee für einen Neu-Start ins Jahr 2022? Eine gemeinsame Klärung mit dem Team, was nervt aber eigentlich in Ordnung ist. Etwa, dass alle Teammitglieder beim Jourfix die Kamera eingeschalten lassen, obwohl die Katze durchs Bild läuft. Oder auch mal im virtuellen Raum zu sagen, dass man etwas nicht verstanden hat. Oder aussprechen zu dürfen, dass im Home-Office jetzt aber echt Feierabend ist?

Infos zum Bild: Das Poster für „workplace culture“ vom UK Government Digital Service; es wurde in Wien bei der Biennale  2017 ausgestellt.