Archiv der Kategorie: Moderation & Trainings

Eine Runde Poker-Spielen

Und damit bessere Entscheidungen treffen

Kennen Sie eine der größten Hürden guter Entscheidungen? Die Klärung der Frage: Wer trifft die Entscheidung eigentlich bzw. wer sollte sie treffen.

In Organisationen kommen uns immer wieder Sätze unter wie „Meine Mitarbeitenden trauen sich nicht, Entscheidungen zu treffen“ oder „Warum dürfen wir eigentlich nicht mitentscheiden“ oder „Die da oben sollen sich mal endlich entscheiden“. Die Bandbreite ist beliebig, wer den Hut der Entscheidungsverantwortung aufhat oder haben sollte.

Das Spiel „Decision Poker“ (manchmal auch als Delegation Poker tituliert) nimmt sich genau dieses Themas an und wir setzen es im Führungskräfte-Coaching regelmäßig ein. Je nach Wunsch und Spieleanbieter ergeben sich sechs bis neun unterschiedliche Spielkarten, die die Art und die Verantwortung der Entscheidung abbilden. Stufe 1 kann eine Einzelentscheidung auf Top-Führungsebene sein, Stufe 2 eine vorhergehende Beratungsrunde von Expert*innen, bevor die Top-Führungsebene entscheidet. Auf den nachfolgenden Stufen erweitert sich der Kreis jener, die mitentscheiden oder an die ein Fall delegiert wird: das kann durch ein Teamveto gehen oder – bei einer Entscheidung durch das Team – ein Führungsveto. Ein spannender Zugang könnte auch die Erhebung der Widerstandspunkte statt der Zustimmung sein, wie Sie im Artikel „Konsent statt Konsens“ nachlesen können. Auf der jeweils letzten Stufe übernimmt das Team, das betroffen ist, autonom die Entscheidungshoheit.

Es gibt mehr als eine Art zu entscheiden

Es ist für viele Führungskräfte schon augenöffnend, diese vielen Optionen, wie Entscheidungen getroffen werden können, zu sehen. Denn nicht alles muss allein im stillen Kämmerlein ausgebrütet werden.

Beim Spielverlauf geht es nun darum, pro Entscheidungsfall zu überlegen, welche Stufe hierfür angemessen ist. Dazu bekommt jeder Mitspielende ein gleiches Kartenset und die Erklärung des jeweils zu bestimmenden Falls. Das kann von der Aufnahme neuer Teammitglieder reichen, über Ort und Ablauf des Betriebsausfluges oder die Anschaffung bestimmter Geräte für Videocalls. Pro Fall überlegt jeder Mitspielende, wie die Entscheidung zu treffen wäre und legt eine Karte mit der entsprechenden Ziffer verdeckt vor sich hin.

Nun werden die Karten aufgedeckt und die Ziffern verglichen. Jene mit der höchsten Abweichung beginnen, ihre Einschätzung zu erklären, bis alle Meinungen reihum gehört sind. In der Folgediskussion einigt sich das Spieleteam (oder das echte Projektteam) auf die Art, wie in diesen Fällen künftig zu entscheiden sein wird. Im Idealfall wird das gleich auf ein Decision Board geschrieben, damit es dokumentiert und für neue Mitglieder einsichtig wird.

Mehr zum genauen Spielverlauf von Jürgen Appelo und seinem Buch “Management 3.0: Leading Agile Developers, Developing Agile Leaders bzw. unter diesem Link: https://management30.com/practice/delegation-poker/

Die „Langweile-Stunde“ mit Tristan Horx, Florian Klenk und Anna Baar

Wir waren Teil der COOL-Biennale 2023 zum Thema 21st Century Skills. Zwei Tage – bei der öffentlichen Abendveranstaltung und bei Workshops am Folgetag Ende März 2023 – haben wir mit mutigen, offenen und inspirierenden Pädagog*innen aus Österreich, Deutschland und Italien diskutiert (alle Facebook-Beiträge hier ). Tristan Horx, Zukunftsforscher der Generation Y, hat mit uns im Austausch die Langeweile-Stunde erfunden: Wie kommt mehr Kreativität in die Bildung? Durch Reduktion von digitalen Ablenkungen, durch Fokussierung und durch Nichts-Tun. Wie dieses Nichts-Tun unterstützt werden kann und in der Praxis wirklich abläuft, da sind wir gespannt. Rund 150 Teilnehmende können diese Idee in ihren Stundenplan aufnehmen und werden berichten.

Anna Baar, Trägerin des Großen Österreichischen Staatspreises, hat uns bei der COOL-Biennale die Fiktion der Literatur als Chance für das Erkennen und Erkunden der Realität erklärt. Während Florian Klenk, Chefredakteur der Wochenzeitung Falter launig und mit guten Geschichten ein Plädoyer für das analoge Erkunden hielt. Seine Ideen, das Innere des Schulraumes ins Außen zu transferieren wird heute von COOL vielfach schon gelebt und er war über das Andocken an diese für ihn noch unbekannte Welt der Bildung mehr als beeindruckt. So wie ich – und daher freue ich mich besonders, seit 2022 im COOL-Fachbeirat und damit an „Board“ sein zu dürfen.

Feed-forward statt Feed-back

Mit dem Feed-back-Geben ist das so eine Sache: Entweder kommen Botschaften nur „weichgespült“ an, weil sie mit Lob und Bestätigung aufgeladen wurden. Oder sie werden als Kritik empfunden und manch ein*e Empfänger*in reagiert ablehnend. Falsch aufgesetzte Feed-backs können die Beziehungsebene zwischen Teammitgliedern belasten.

Organisationen und Teams müssen aus meiner Erfahrung schon sehr gut aufeinander eingestimmt sein, damit Feed-backs als ein konstruktives Entwicklungsinstrument funktioniert. Feed-backs brauchen Zeit, Wiederholdung und die Bereitschaft aller, sich auf Rückmeldungen einzulassen. Sie verlangen die Kunst des aktiven Zuhörens und der Reflexionsfähigkeit. Und nicht jede Methode funktioniert in jedem Team: Manche Teams können mit 360 Grad-Feed-backs von mehreren Personen für ein Teammitglied gut umgehen, anderen ist das zu offen und sie schätzen bilaterale Rücksprachen umso mehr. Eine Feed-back-Methode für ein Team namens „Retrospektive“ finden Sie in diesem früheren Artikel von uns.

Die Kritik, die ich (und der Gründer der 360-Grad-Feed-backs Dr. Marshall Goldsmith) an Feed-backs haben: Sie beziehen sich auf das Gewesene und verstärken die Muster der Vergangenheit. Um ins Morgen zu kommen, helfen Feed-forwards, also Empfehlungen an die Zukunft. Voraussetzung dafür ist, dass jedes Teammitglied für sich selbst eine Veränderung definiert hat, die es in den kommenden Monaten erreichen wollen würde. Das Team hilft mit Vorschlägen, diese Veränderung zu erzielen. Mehr Details zur Durchführung über Feed-forwards lesen Sie hier.

Eine schöne Methode, um Muster aus der Vergangenheit zu durchbrechen und für die Zukunft neue zu entwickeln, hat die deutsche Unternehmensberaterin Claudia Thonet gefunden: Sie nennt sie die „Plus-Plus-Methode“. Dabei geht es um ein Reframing möglicher Kritikpunkte und um das Ansprechen, welches konkrete Verhalten in Zukunft gewünscht ist. Reframing bedeutet „Umdeuten“ – Sie geben dem, was Sie sehen oder was Sie ärgert eine „neuen Rahmen“.

Statt sich über die Sturheit des jungen Mitarbeiters oder über die „Gluckenhaftigkeit“ der längstdienenden Mitarbeiterin zu ärgern, freuen Sie sich über seine Fähigkeit, ausdauernd an Dingen dranzubleiben, und über ihre Motivation, für eine gute Integration aller Teammitglieder zu sorgen.

Das Reframing wird im ersten Teil dieser Rückmeldungs-Methode angewendet und sie geht noch weiter. Im zweiten Teil wird ein Wunsch, „was noch zusätzlich“ relevant wäre, angesprochen. Im Fall unseres fiktiven Mitarbeiters könnte das lauten: „Ich finde Deine Ausdauer im Projekt bewundernswert und diese wünsche ich mir, wenn Du einmal pro Woche die Befindlichkeiten im Team aktiv ansprichst, reflektierst und in Deine Arbeit einbaust.“ Oder im Fall der oben beschriebenen Mitarbeiterin: „Ich bewundere, wie wichtig Dir das Wohlergehen aller ist und bitte Dich um eine Weiterentwicklung dieser Stärke: Wohlergehen heißt auch, dass junge Kolleg*innen eigene Fehler machen dürfen und die Arbeit anders machen als sie bisher gemacht wurden.“

Der erste Teil, also das erste Plus bezieht sich auf eine Stärke des Mitarbeitenden. Der zweite Teil, das Plus-Plus, auf deren künftigen Einsatz.

Gestik in analogen und virtuellen Meetings

Sie kennen sicher das Spiel „Schere-Stein-Papier“.

Es wird von zwei Spieler*innen mit Handzeichen gebildet und gehört zu jenen Spielen weltweit, die unabhängig von Sprache oder Geschlecht und Alter immer gleich gespielt werden.

Diese internationalen Handzeichen, die wirklich jede*r versteht, sollten wir uns auch bei Moderationen mehr und mehr zu Nutze machen: egal ob bei Meetings im Büro oder noch mehr bei virtuellen Sitzungen. Ein Beispiel aus dem Teambuilding: Eine Hand heben bedeutet „ich will was sagen“, zwei Hände heben „ich will zum Vorredner einen Kommentar abgeben“ oder bei Online-Konferenzen beide Arme leicht anheben und in der Luft neben dem Gesicht die Hände aus dem Gelenk drehen, bedeutet Zustimmung, ähnlich dem Applaus bei der Gebärdensprache.

Wichtig ist bei dieser neuen „Sitzungs-Gebärdensprache“: das Team muss eindeutig wissen, was welche Gestik bedeutet. Denn auch nonverbale Zeichen können Missverständnisse auslösen. Inspirationen für Moderationszeichen und damit für produktivere Meetings finden Sie hier.

Ja, aber …

Ein kleines Wort, das Sie besser aus Ihrem Wortschatz streichen sollten

Wie oft denken oder sagen Sie „Ja, aber…“? Oder hören das als Auftakt eines längeren Vortrages in einem Meeting; von einer Person, die erklärt, warum eine Idee, ein Plan oder eine Strategie zwar gut gemeint, aber noch lange nicht gut ist.

In zwei Worten steckt eine ganze Welt, die sich widerspricht: „Ja“ als Zustimmung, als Bestätigung als Chance. „Aber“ als Einschränkung, als potenzielle Gefahr, als Fehler. Ja, aber-Denker*innen schränken sich selbst ein. Eigentlich will ich ja den neuen Job oder die Projektleitung. Aber bin ich dafür gut genug oder schaffe ich es wirklich? Ja, aber-Sprecher*innen machen andere und deren Vorschläge klein. Sie kritisieren indirekt durch signalisierte Zustimmung, um dann gleich das Haar in der Suppe zu finden und stolz zu präsentieren.

Dabei ist die Lösung ganz einfach: Ersetzen Sie das Wort „aber“ durch das Wort „und“. Diese kleine Änderung hat große Wirkung. Plötzlich wird aus einer Einschränkung eine Öffnung. Während das Aber klein macht, öffnet das Und einen neuen Möglichkeitsraum. Und Gespräche laufen besser ab, weil keiner der Kommunikationspartner*innen in eine Verteidigungshaltung gehen muss. Probieren Sie es aus – in ihrer Kommunikation mit sich selbst und beim nächsten Meeting!

Moderations-Reigen

Der Frühsommer 2022 war bei uns im impulsbüro. von zahlreichen großen Moderationseinsätzen und -auftritten geprägt:

– Am Podium mit Rudi Anschober, der sein Buch Pandemia vorstellte. „Mein persönlichstes Buch bisher“, so der ehemalige Bundesminister im Gespräch mit Gerhild Deutinger.

– Beim mehrtägigen Symposium von Physio Austria zum Schwerpunkt Kommunikation. Von der interdisziplinären Kommunikation, die im Gesundheitswesen noch bedeutsamer wird, über achtsame Kommunikation bis Social Media. Wissen Sie etwa, was Debunking oder Pre-Bunking bedeuten? Mehr über das Symposium in einem filmischen Portrait von Markus Hechenberger -> hier

– Bei einem Netzwerktreffen im Rathaus Wien mit 100 anwesenden Elementarpädagog*innen und weiteren virtuellen Teilnehmenden. Sieben Trägerorganisationen kamen unter Federführung der Wiener Gesundheitsförderung erstmals nach der Pandemie zusammen und überlegten gemeinsam, wie Kinder, Eltern und Kindergarten-Teams gestärkt aus der Krise ins „neue Normal des Elementarbereichs“ gehen.

 

Fotos © WiG/Hloch und Physio Austria/Hechenberger

Retro mit Seestern

Und andere Besonderheiten der Rückschau.

Am Beginn eines neuen Jahres, zum Start oder Ende eines Arbeitsmonats oder einer Woche oder zu sonstigen relevanten Zeitpunkten macht es Sinn, auf Erreichtes oder Nicht-Erreichtes zurückzublicken um für das Bevorstehende zu lernen. Retrospektiven sind eine Art Feed-back-Meeting für ein Team: Alle Teammitglieder schauen gemeinsam in den „Rückspiegel“, damit auf der Fahrt ins Morgen der Blick nach vorne ungetrübt funktioniert. Zwei Techniken, wie solche „Retros“ anlaufen können, stellen wir Ihnen hier vor.

Sehr ähnlich einer SWOT-Analyse funktioniert die 4L-Methode. Der Buchstabe L gilt als Abkürzung für vier Schwerpunkte, die schriftlich oder mündlich erörtert werden können:

  • Liked: das erste „L“ fragt danach, was dem Team in einem vergangenen, definierten Zeitraum Freude gemacht hat bzw. was gut funktioniert hat.
  • Learned: das zweite „L“ sucht nach Lehren des Teams in dieser Zeit. Was hat das Team inhaltlich an Mehrwissen generieren können oder woran ist es als Team gewachsen?
  • Longed For: eine spannende Suche im dritten „L“, nämlich nach dem Ersehnen. Was war während der Zeit, die das Team betrachtet, nicht verfügbar, wäre aber sehr gewünscht gewesen.
  • Lacked: Das letzte „L“ sucht nach Aspekten, Inhalten, Themen, Erfahrungen und mehr, die dem Team in der Rückschau gefehlt haben.

Am besten vier Felder auf einem Plakat aufmalen, wie Sie in unsere Skizze sehen >> hier

In der Durchführung stellen Sie zuerst die vier Felder vor, die am Beginn durchaus verwirrend wirken können. Geben Sie den Teilnehmer*innen Zeit, sich zuerst selbst Gedanken zu machen. Dann diskutieren Sie ein Feld nach dem anderen. Eine vorher festgelegte Timebox pro Feld hilft, um ausreichend Zeit pro Thema einzukalkulieren.

„Starfisch“ bzw. Seestern heißt eine der bekanntesten Retro-Techniken. Fünf Fragen werden dabei vom Team durchlaufen, ebensoviele Arme wie ein Seestern hat.

Am besten gehen Sie in der Moderation so vor, dass die fünf Arme des Seesterns auf ein großes Plakat geschrieben werden und jeder Arm ein Frage beinhaltet. Fragen könnten sein:

  • Wovon brauchen wir mehr?
  • Wovon benötigen wir weniger?
  • Was könnten/sollten wir ab sofort starten oder nutzen?
  • Was könnten/sollten wir stoppen?
  • Was könnte/sollten wir fortsetzen?

Wie oft sollen Teams Retros machen? Grundsätzlich gibt es keinen definierten Rhythmus. Die Aussage „nach Bedarf“ führt aber oftmals dazu, dass Teams selten Bedarf anmelden und zwei Mal pro Jahr ist einfach zu wenig. Gerade in Transformationszeiten oder bei agilen Projekten sollte dieses Rückschautreffen häufiger, etwa monatlich oder alle sechs Wochen stattfinden.

Dabei müssen Retros gar nicht lange dauern: in zwei bis drei Stunden oder anstatt eines Jour Fixes sind die meisten Rückschauen gut zu erledigen. Wichtig ist allerdings, dass das ganze Team dabei ist. Denn jede und jeder hat seine und ihre Sicht zurück. Gemeinsam wird der Blick weiter und derErkenntnissgewinn tiefer. Für hybride und digitale Teams gibt es bereits eigene Online-Tools:

 

 

Mit der It’s OK-Technik gegen Zoom-Fatigue

Bauen Sie Ihr eigenes Wellbeing Manifesto

Sind sie auch schon ZOOM-fatigue oder Webex-müde? Von einer Vielzahl von Kundinnen und Kunden erreicht uns der Hilferuf, bitte keine Zoom-Meetings mehr abzuhalten, keine weitere MS-Teams Schaltungen und vor allem keine informellen virtuellen Get-togethers, die noch im Herbst/Winter 2020 das Gemeinschaftsgefühl gesichert haben.

Dieses Phänomen kann einerseits auf die so genannte “ZOOM-Fatigue“ zurückgehen, die gerade auch wissenschaftlich untersucht wird. Andererseits sind das „Verschwinden“ der Mitarbeitenden bzw. ihrer wahren Bedürfnisse ein Problem.

Aber der Reihe nach: „Zoom-Fatigue“ beschreibt eine Müdigkeit vor dem Bildschirm, die vor allem auf die fehlenden Interpretationsmöglichkeiten für unser Gehirn, nonverbale Signale richtig zu deuten, zurück zu führen ist. Die Gereiztheit rührt daher, dass dem Gehirn wichtige soziale Signale wie Nicken als Zustimmung oder Schmunzeln für nicht ganz ernstgemeinte Aussagen fehlen; statt dessen haben wir es mit entweder dunklen Bildschirmen oder gemuteten Teilnehmenden, die starr in die Kamera blicken zu tun. „Gestik und Körpersprache gehen bei digitalen Meetings (…) oft verloren. Auch das aktive Zuhören – ein bestätigendes „Hmm“ oder „Achso“ – fehlt in virtuellen Meetings. Denn das eigene Mikrofon ist meist ausgeschaltet, wenn andere sprechen. Zudem fehlt uns der direkte Blickkontakt. Schauen wir auf das Video unseres*r Gesprächspartner*in, sieht er*sie uns mit gesenktem Blick. Blicken wir direkt in die Kamera, wirkt es für unser Gegenüber zwar, als sähen wir uns direkt in die Augen. Wir selbst schauen aber nur in ein grün blinkendes Licht. Wir schauen aneinander vorbei“, so beschreibt die Arbeits- und Organisationspsychologin Nale Lehmann-Willenbrock die Probleme digitaler Besprechungen. Und sie ergänzt: „Gerade in der Multiscreen-Ansicht fällt es uns schwer, das Verhalten von mehreren Menschen gleichzeitig zu dekodieren, denn wir verlieren den Fokus. In der Sprecher*innen-Ansicht kann man sich zwar auf das Gegenüber besser konzentrieren. Uns gehen aber gleichzeitig Reaktionen der anderen verloren, die wir in einem Präsenz-Meeting ganz nebenbei auch am Rande unseres Blickfeldes wahrnehmen würden. (…) Unser Gehirn schüttet weniger Dopamin aus, dafür aber Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin. Das kostet Energie und macht müde.“

Das fehlende Dopamin können wir aber nicht nur der virtuellen Welt zuschreiben. Ein gewisses „Verschwinden“ der Mitarbeitenden und ihrer Bedürfnisse ist gerade im mehrfachen Lock-down zu spüren. Natürlich haben wir mehr Erfahrung im Umgang mit home-office und home-schooling, aber wir wollen nicht mehr. Wollen nicht mehr Einblicke in unsere Wohnungen zulassen. Wollen Kaffee- und Teetrinken ohne Kommentare von anderen im virtuellen Raum zu unserer Tasse. Wollen uns nicht mehr schlecht fühlen, wenn das Kind neben dem Bildschirm turnt oder krank am Schoß von Mama oder Papa turnt.

Einen Ausweg aus dieser Müdigkeit, dem „Verschwinden“ und der mentalen Erschöpfung könnte eine Technik sein, die aus dem Jahr 2016 stammt und vom Government Digital Service Großbritanniens entwickelt wurde. (Umgesetzt von Giles Turnbull  und Sonia Turcotte erfunden wurde. Diese Technik nennt sich „It’s okay to…“ und spricht offen Ermüdungszustände und subjektiven Fragen an, die sich jede und jeder mittlerweile im vierten Lockdown persönlich stellt, aber nicht in der Gemeinschaft adressiert.

Im Ursprungsplakat hieß es „It‘s okay to… ask for help … make mistakes … sing … prefer tea … have off-days … have days off“. Einige Organisationen haben diese Idee für sich adoptiert und als „Well being Manifesto“ umgesetzt. Sie haben alles, was unausgesprochen schwelt und für Unruhe sorgt, diskutiert, formuliert und sichtbar ausgedruckt. Alles, das für die Organisation passt und die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärkt, wurde aufgenommen.

Wäre das nicht eine wunderbare Idee für einen Neu-Start ins Jahr 2022? Eine gemeinsame Klärung mit dem Team, was nervt aber eigentlich in Ordnung ist. Etwa, dass alle Teammitglieder beim Jourfix die Kamera eingeschalten lassen, obwohl die Katze durchs Bild läuft. Oder auch mal im virtuellen Raum zu sagen, dass man etwas nicht verstanden hat. Oder aussprechen zu dürfen, dass im Home-Office jetzt aber echt Feierabend ist?

Infos zum Bild: Das Poster für „workplace culture“ vom UK Government Digital Service; es wurde in Wien bei der Biennale  2017 ausgestellt.

Anderer „Schuh“ – neue Perspektive

Wie ein temporärer „Schuhwechsel“ hilft, mehr Organisation-Verständnis zu entwickeln.

In Zeiten wie diesen ist jede und jeder auf die eigene Person, die eigene Familie oder das eigene Team in einer Weise zurückgeworfen, wie wir es selten hatten: die unmittelbaren Bezugspersonen sind mehr oder weniger omnipräsent und das eigene Tun wird zum zentralen Maßstab. Stemmen wir homeoffice+homeschooling optimal, weil unsere Familie eingespielt ist und die Kinder selbständig oder sogar schon ausgezogenen, dann nehmen wir an, anderen ginge es ebenso.

Um in Teams und Organisationen die Empathiefähigkeit (wieder) zu erhöhen und nach einer Zeit der Distanz die Zusammenarbeit zu verbessern, helfen Perspektivenübernahmen, die aus der Sozialpsychologie stammen. Es geht darum, den eigenen Betrachtungswinkel zu verändern, sich in andere Personen oder bestimmte Situationen hinein zu versetzen und andere besser zu verstehen. Diese aktive und bewusste Auseinandersetzung mit der Perspektive anderer hilft, mögliche Teamkonflikte zu minimieren und reduziert unbewusste stereotype Denkprozesse, die sich im Distanzarbeiten eingeschlichen haben.

Konkret funktioniert das so, dass eine Person oder ein Teil der Gruppe für eine genau definierte Zeit die Denkweise, die Aufgabe oder Handlung einer anderen Person oder eines anderen Teils der Gruppe übernimmt. Im Rollentausch stellen wir uns vor, wie es uns in „den Schuhen des oder der anderen“ gehen würde. Wir haben das vor kurzem mit zwei Führungsebenen durchgespielt, die für eine kurze Zeit in die obere bzw. untere Hierarchie-Ebene wechselte. Wie fühlt es sich an, Aufträge aus der jeweiligen anderen Führungsebene zu erhalten? Welche Sichtweisen und Wünsche hätte man in der neuen Rolle?

Diese Methode nutzen wir auch gerne, wenn es um das Bewusstmachen vielfältiger Sichtweisen und der Akzeptanz diverser Lebenswirklichkeiten geht. Oder wissen Sie genau, wie Ihr Arbeitsalltag von jemandem ohne Deutsch als Muttersprache oder einer Person mit eingeschränkter Bewegung oder mit einem anderen Kulturhintergrund bewältigt werden würde?

Ein COOLes digitales Symposium

So funktionieren Veranstaltungen digital rundum perfekt

Ein Keynote-Speaker, viele Workshops und spannender Austausch – klingt wie eine analoge Veranstaltung in Zeiten vor Corona? Ja. Geht aber auch digital! Genau das haben wir gemeinsam mit den Organisatorinnen der Bildungscommunity C.O.O.L. Mitte März 2021 bewiesen und eine dreitägige Biennale via ZOOM auf die Beine gestellt. Rund 120 Teilnehmende aus Österreich, Süd-Tirol, Deutschland und der Schweiz kamen vor ihre Bildschirme und lauschten, diskutierten, entwickelten und lachten – drei volle Tage lang.

COOL ist eine Lehrer*innen-Initiative, die auf Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Lernenden setzt und Kooperation zwischen Schüler*innen und Pädagog*innen als Erfolgskriterium sieht. Mehr auf www.cooltrainers.at.

Für das Veranstaltungskonzept der digitalen Biennale war ein großes Ziel, gemeinsam zu wachsen, sich intensiv zu vernetzen und Knowhow auszutauschen. Wir haben dies durch Abwechslung von Plenums- und Kleingruppenarbeit, durch verschiedene Moderationsmethoden aber auch durch Konstanz realisiert: über alle drei Tage hinweg wurden Padlets von den Teilnehmer*innen befüllt – sie wuchsen im Laufe der Veranstaltung. Ein Padlet widmete sich den Stärken, die in der Pandemie nochmals deutlicher wurden; ein weiteres hatte eine intensive Tauschbörsenfunktion.

Sogar die Keynote an Tag Eins war neu gedacht: der bekannte Autor und Philosoph Dr. Julian Nida-Rümelin hielt seine Keynote in 3*15 Minuten; zwischen den Teilen wurden gechattet und diskutiert. So konnte er mit den Teilnehmenden in den Austausch treten, worin die Antworten auf zunehmenden Fanatismus zu suchen ist und welche Rolle Humboldt in der Bildung heutzutage spielt.

Am zweiten Tag hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, unterschiedlichen Workshops beizutreten. Die Themenpalette reichte von multiplen Dimensionen der Bildungsräume bis zu Agilität bei Veränderungsprozessen. Immer wieder setzten wir interaktive Angebote und Abfragen ein. Spannend auch die Teilnahme von Schüler*innen, die hier den Pädagog*innen Rückmeldungen gaben und gleichberechtigt mitdiskutierten. Diese Möglichkeit Meinung und Ideen Jugendlicher zu hören, was für alle Teilnehmenden eine große Bereicherung war.

Der dritte Tag galt dem Thema Innovation: in rascher Abfolge könnten die Teilnehmer*innen von anderen lernen und gingen mit dem Ziel – zehn neue Kontakte pro Person – gestärkt aus der Biennale.

Neben den vielen interessanten Vorträgen und Inputs waren zwei Faktoren entscheidend für den Erfolg des digitalen Symposium: Beziehung und Emotionalität. Spaß, Austausch und Begegnung schafften wir u.a. über „Coffee-Breaks“ – aktive Pausengestaltungen von COOL-Pädagog*innen für alle Teilnehmer*innen. Musik zum Start und zwischen der Blöcken sorgten für ein Mitsingen, Tanken und Lachen. „Stammtische“ zu Mittag erlaubten es, das Plaudern, das bei Präsenztreffen nebenbei passiert, ein wenig zu imitieren.

In diesem Video zeigen wir Ihnen einige Eindrücke der COOL-Biennale und wie virtuelle Events by impulsbüro organisiert werden

Arbeitseindrücke Virtuelle Events

Unser Fazit: COOL ist eine wunderbare Initiative mit enormem Potenzial und noch wunderbareren Pädagog*innen. Die intensive Vorbereitung zwischen den Auftraggeberinnen und uns und deren Offenheit für Ideen hat diese Online-Veranstaltung zum Erfolgsmodell gemacht. Danke an Martina Piok und Erika Liebel sowie allen COOL-Moderator*innen.

COOL hat auch auf Facebook über uns berichtet – hier geht´s zum Bericht.