Archiv für den Monat: Januar 2022

Retro mit Seestern

Und andere Besonderheiten der Rückschau.

Am Beginn eines neuen Jahres, zum Start oder Ende eines Arbeitsmonats oder einer Woche oder zu sonstigen relevanten Zeitpunkten macht es Sinn, auf Erreichtes oder Nicht-Erreichtes zurückzublicken um für das Bevorstehende zu lernen. Retrospektiven sind eine Art Feed-back-Meeting für ein Team: Alle Teammitglieder schauen gemeinsam in den „Rückspiegel“, damit auf der Fahrt ins Morgen der Blick nach vorne ungetrübt funktioniert. Zwei Techniken, wie solche „Retros“ anlaufen können, stellen wir Ihnen hier vor.

Sehr ähnlich einer SWOT-Analyse funktioniert die 4L-Methode. Der Buchstabe L gilt als Abkürzung für vier Schwerpunkte, die schriftlich oder mündlich erörtert werden können:

  • Liked: das erste „L“ fragt danach, was dem Team in einem vergangenen, definierten Zeitraum Freude gemacht hat bzw. was gut funktioniert hat.
  • Learned: das zweite „L“ sucht nach Lehren des Teams in dieser Zeit. Was hat das Team inhaltlich an Mehrwissen generieren können oder woran ist es als Team gewachsen?
  • Longed For: eine spannende Suche im dritten „L“, nämlich nach dem Ersehnen. Was war während der Zeit, die das Team betrachtet, nicht verfügbar, wäre aber sehr gewünscht gewesen.
  • Lacked: Das letzte „L“ sucht nach Aspekten, Inhalten, Themen, Erfahrungen und mehr, die dem Team in der Rückschau gefehlt haben.

Am besten vier Felder auf einem Plakat aufmalen, wie Sie in unsere Skizze sehen >> hier

In der Durchführung stellen Sie zuerst die vier Felder vor, die am Beginn durchaus verwirrend wirken können. Geben Sie den Teilnehmer*innen Zeit, sich zuerst selbst Gedanken zu machen. Dann diskutieren Sie ein Feld nach dem anderen. Eine vorher festgelegte Timebox pro Feld hilft, um ausreichend Zeit pro Thema einzukalkulieren.

„Starfisch“ bzw. Seestern heißt eine der bekanntesten Retro-Techniken. Fünf Fragen werden dabei vom Team durchlaufen, ebensoviele Arme wie ein Seestern hat.

Am besten gehen Sie in der Moderation so vor, dass die fünf Arme des Seesterns auf ein großes Plakat geschrieben werden und jeder Arm ein Frage beinhaltet. Fragen könnten sein:

  • Wovon brauchen wir mehr?
  • Wovon benötigen wir weniger?
  • Was könnten/sollten wir ab sofort starten oder nutzen?
  • Was könnten/sollten wir stoppen?
  • Was könnte/sollten wir fortsetzen?

Wie oft sollen Teams Retros machen? Grundsätzlich gibt es keinen definierten Rhythmus. Die Aussage „nach Bedarf“ führt aber oftmals dazu, dass Teams selten Bedarf anmelden und zwei Mal pro Jahr ist einfach zu wenig. Gerade in Transformationszeiten oder bei agilen Projekten sollte dieses Rückschautreffen häufiger, etwa monatlich oder alle sechs Wochen stattfinden.

Dabei müssen Retros gar nicht lange dauern: in zwei bis drei Stunden oder anstatt eines Jour Fixes sind die meisten Rückschauen gut zu erledigen. Wichtig ist allerdings, dass das ganze Team dabei ist. Denn jede und jeder hat seine und ihre Sicht zurück. Gemeinsam wird der Blick weiter und derErkenntnissgewinn tiefer. Für hybride und digitale Teams gibt es bereits eigene Online-Tools:

 

 

Der Unterschied liegt im WIE

Anleitung zur „Psychological Safety“ von Teams

Eine meiner wunderbaren Master-Studierenden hat mich 2021 auf die Studien zur „Psychologischen Sicherheit“ aufmerksam gemacht. Entwickelt wurde das Konzept von Amy Edmondson und gerade für das beginnende neue Jahr mit all seinen bevorstehenden Transformationen kann es wirksam sein.

Amy Edmondson, Professorin der Harvard Business-Universität, erforscht bereits seit 1999, warum manche Teams bessere Leistungen erzielen und andere nicht. Sie sieht den Schlüssel in der entsprechend gestalteten Arbeitsatmosphäre – nicht in den Individuen. Also nicht WER miteinander zusammenarbeitet entscheidet, sondern WIE Menschen miteinander zusammenarbeiten.

Laufende Beziehungsarbeit, offene Meinungsbildung und ein konsequentes Fokussieren auf die Stärken der Teammitglieder sind drei wesentliche Aspekte, um psychologische Sicherheit zu erzeugen. Ist diese in einem Team gegeben, dann sind seine Mitglieder mutig und resilient genug, gemeinsam ins Unbekannte aufzubrechen oder Risiken einzugehen. Der Schlüssel hierfür liegt in der Führung des Teams: wenn eine Führungskraft bereit ist, eine Lern- statt einer Fehlerkultur zu etablieren, unangenehme Wahrheiten an- und auszusprechen sowie Verletzlichkeit und Unsicherheiten zuzulassen, dann ist der Weg zur psychologischen Sicherheit für das Team offen.

Wie gestaltete eine Führungskraft 2022 einen psychologisch sicheren Arbeitsplatz? Am besten über eine Vielzahl von Möglichkeiten für alle, sich offen zu äußern und die eigene Meinung – auch wenn sie von der Gruppenmeinung abweicht – zuzulassen. Gerade bei online oder hybriden Teams eine Herausforderung: denn die „Mute-Taste“ ist gerne gedrückt und gerade der virtuelle Raum sorgt bei vielen Menschen eher für Zurückhaltung. Schweigen ist aber kontraproduktiv für die Entwicklung einer psychologischen Sicherheit – und es schränkt Produktivität, Innovation und die Entwicklung neuer Ansätze ein.

Werfen Sie als Führungskraft mit Ihrem Team die „Glaubenssätze zum Schweigen und Kritisieren“ 2022 weg! Glaubenssätzen, die wir in Teams vorfinden, können sein:

  • Wenn ich eine Frage habe und die anderen haben keine, dann dürfte ich wohl nicht aufgepasst haben. Ich müsste es wohl eigentlich wissen …
  • Niemals die oder den Vorgesetzte*n vor dem Team bloßstellen. Wenn er*sie das Gesicht verliert, dann … (ja was eigentlich?)
  • Hinterfrage Dinge nur, wenn Du eine bessere Lösung hast.

Wann immer Teammitglieder 2022 das Gefühl haben, etwas sagen zu wollen oder zu können – selbst wenn es unausgegoren oder kritisch ist – fordern Sie als Führungskraft aktiv dazu auf. Hören Sie zu. Fragen Sie nach. Diskutieren Sie. Je mehr, je besser – solange es wertschätzend und respektvoll ist. Wir müssen wieder lernen, miteinander statt übereinander zu reden. Nur so können wir lernen. Können Fehler und Fehlentwicklungen rechtzeitig erkennen. Können  merken, dass die anderen uns näher sind als gedacht.

Eine gute Kommunikation ist das Fundament, um darauf Beziehung, Vertrauen und letztlich Sicherheit im Miteinander zu bauen. Denn auch der „psychologisch sichere“ Arbeitsplatz schützt nicht vor Stress, Anspannung, vor Fehlern oder Planlosigkeit. Der große Unterschied – und an dieser Stelle nochmals danke an meine Masterstudierende für die Anregung – liegt darin, wie damit umgegangen wird.

Als Buchtipp die deutsche Übersetzung: Edmondson, A. (2020). Die angstfreie Organisation. Wie sie die psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung Lernen und Innovation schaffen. München: Verlag Franz Vahlen.

 

ZOOM-freie Freitage und oder doch 4-Tages-Woche

Good Practices für 2022.

Schon im März 2021 hat die amerikanische Investmentbank Citigroup Stopp gerufen: Zuviele Online-Meetings, dauernde Erreichbarkeit, fehlende Work-Life-Balance im home-office. Die Freitage sind seither „Zoom-free“. Der Gedanke, der dahintersteckt: die allgemein um sich greifende Pandemie-Müdigkeit zu reduzieren.

Gleichzeitig hat die CEO der Citigroup den 28. Mai zum unternehmensfreien Tag erklärt. Er wurde zum „Citi Reset Day“ erklärt. Reset bedeutet, dass die „Grundstellung“ wieder erreicht werden soll. Ein Zurücksetzen auf die Zeit vor der Pandemie.

Die meisten Unternehmen überlegen gerade, wie die Zeit-Aufteilung zwischen Arbeit zu Hause und Arbeit vor Ort funktionieren wird: einige wie SAP ermöglichen 100% Entscheidungsfreiheit, Porsche setze auf bis zu zwölf Tage pro Jahr. Spannender sind Ansätze für die 4-Tages-Woche, wie sie beispielsweise von der österreichischen Kreativ-Agentur von Béatrice und Martin Verdino seit zwei Jahren praktiziert wird. Seit Mai 2019 arbeiten die Mitarbeiter*innen von Montag bis Donnerstag neun Stunden pro Tag, dafür ist der Freitag frei. Über ihre Erfahrungen berichten die beiden -> hier.