Archiv für den Monat: Januar 2020

Schöne Frauen, kleine Männer, viele Voruteile

Kennen Sie Männer, die größer als 195 cm oder kleiner als 165 cm sind? Sie fallen aus der Norm. Ebenso wie Frauen mit Übergewicht, besonders attraktive Frauen oder kopftuchtragende Pädagoginnen, die derzeit politisch diskutiert werden. Sie werden von der Mehrheitsgesellschaft oft verzerrt wahrgenommen. Martina Friedl stellte beim ersten Frühstücks-Salon von impulsbüro. und Martina A. Friedl Consulting sechs so genannte „Unconscious Bias“ – unbewusste Wahrnehmungsverzerrungen vor, die in Organisationen wie in der Gesellschaft zu Diskriminierungen führen. Vom Gender-Bias, über den Mini-Me-Effekt bis zum Namens-Bias spannte sie den Bogen. Sie berichtete von Studien, die zeigten, dass wir attraktive Personen für erfolgreicher und kompetenter halten. Darunter fallen Männer mit einer Körpergröße von 1 Meter 80 und Frauen, die dem gängige Schönheitsideal von Symmetrie und Proportion entsprechen. Überdurchschnittlich attraktive Frauen hingegen werden wiederum mit einem Bias belegt. Der israelische Ökonom Bradley Ruffle fand heraus, dass besonders attraktive Frauen seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden; man traut ihnen weniger zu. Im Gegensatz zu besonders attraktiven Männern übrigens.

Im Frühstücks-Salon diskutierten wir nach diesem Input (Details über alle sechs vorgestellten unbewussten Bias hören auch in unserem Podcast), wie diese Effekte minimiert werden können. Ein erster, wesentlicher Hebel in der Organisation ist die Sensibilisierung für eine bewusste Wahrnehmung dieser Effekte. Nur wenn ich weiß, dass ich ihnen ausgesetzt bin, kann ich gegensteuern. Das gilt vor allem für Führungskräfte, die eigene unbewusste Vorurteile kennen müssen, um ein neues, mögliches Verhalten etwa bei Projektzusammenstellungen, Beförderungen oder im sozialen Teamgefüge zu setzen. Bewusstseinsbildung alleine reicht allerdings nicht aus. Zusätzlich müssen auf der Ebene der Rekrutierungsprozesse Veränderungen vorgenommen werden. Hier gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an gut untersuchten Maßnahmen. Beispielsweise Bewerbungsverfahren ohne Foto und Namensnennung des oder der KandidatIn, um sich nur über das Qualifikationsprofil eine Meinung zu bilden. Orchester arbeiten bei der Aufnahme von neuen Mitgliedern mit dem „blinden Vorspielen“ hinter einem Vorhang oder Wandschirm. So haben Hautfarbe, Aussehen oder Geschlecht der Person, die das Instrument spielt, keinen Einfluss auf die Entscheidung.

Ein zweiter zentraler Hebel kann eine Kulturanalyse sein, die sich über alle Ebenen hinweg zieht: Welche Kultur gegenüber allen Mitarbeitenden und gegenüber Frauen, Menschen mit Behinderung, Menschen aus anderen Staaten, mit anderen Religionen oder Bräuchen haben wir derzeit und welche wollen/sollen wir haben? Über ein klares Zielbild zu gemischten Teams und zum Umgang mit Mitarbeitenden außerhalb der (gefühlten) Mehrheit kann eine Inklusion stattfinden. Und wenn dieses Zielbild dann noch verbindlich ist, dann minimiert es den Drehtür-Effekt. Denn Mitarbeitende, die (noch) nicht der „Norm“ entsprechen, sind nach einem diskriminierungsfrei aufgesetzten Bewerbungsprozess schnell wieder draußen, wenn sie sich nicht willkommen und integriert fühlen.

Wir begleiten Sie gerne auf Ihrem Weg zu mehr Diversität in Ihrer Organisation und bei Kulturveränderungsprozessen.

Agilität ist Out. Purpose und Serendipität kommen.

Die ersten Wochen im Jahr sind gerade vergangen und schon zeichnen sich ein paar neue Buzz-Words ab. Wurden in den vergangenen Jahren alle Organisationen auf agil getrimmt, übernimmt gerade der Begriff „Purpose“ die Oberhand. Als Sinn, als verbindender Nutzen einer Organisation zieht er gerade Kreise. Ein wenig als Antwort auf die sinnsuchende Generation Y und Z – aber auch jener „Boomer“, die sich noch im Arbeitsmarkt befindlich berechtigt die Frage stellen: Wozu das Ganze? Dazu braucht es klare, kurze und ehrliche Antworten. Antworten, die aber mehr sind als in MitarbeiterInnen-Broschüren und Intranets publizierte Aussagen. „Purpose driven“ ist eine Organisation dann, wenn ihre Daseinsberechtigung Mehrwert beinhaltet und Aussagen dazu eindeutig und logisch sind: für jene, die sich bei der Organisation bewerben, um dort tätig zu sein, für jene, die darin arbeiten, und für Kunden, LieferantInnen, für die Öffentlichkeit. Das gleitet vielfach in moralisch-philosophische Fragen ab: Wozu gibt es uns? Wie machen wie die Gesellschaft besser? Was tragen wir zur einer gesunden, nachhaltigen Zukunft bei? Der Vorteil des Purpose: keine langwierigen Leitbild-Prozesse, die in Schubladen verschwinden, sondern tieferes In-sich-gehen aller Verantwortungsträger und eine unmittelbare Prüfung durch die Belegschaft.

Echte Innovationen nehmen seit einigen Jahren ab. Wie also im neuen Jahr 2020 noch etwas Neues hervorbringen? Spannend wird es dann, wenn Serendipität zum Prinzip erklärt wird. Darunter versteht man zufällige Entdeckungen. Während ForscherInnen, Suchende, Führungskräfte an einer Sache tüfteln, brüten und die Köpfe rauchen lassen, tut sich – plötzlich – eine Entdeckung für etwas Anderes oder in einem anderen Feld auf. Berühmte Beispiele dafür gibt es vor allem in der Medizin: Viagra war eigentlich als Mittel gegen die koronare Herzerkrankung entwickelt worden. Die Wirkung am Herzen stellte sich aber nicht ein – eine andere sehr wohl. Die Pockenimpfung oder die Röntgenstrahlen dürften einem ähnliche Zufall zu verdanken gewesen sein. Über einen schmelzenden Schokoladeriegel wunderte sich Percy Spencer 1946. Im Labor war es nicht wärmer geworden, er war nur länger vor einer Magnetfeldröhre gestanden. Die Microwelle war erfunden.

„Zufall“, so meinte einst der französische Chemiker Louis Pasteur, „nützt nur dem darauf vorbereiteten Geist.“ Das bedeutet also: Seinen Sie offen für Fehler und machen Sie sich und anderen Mut, zu scheitern – wer weiß, welche großartige Innovation damit erst eintreten wird.

Zurück zu den neuen Wörtern oder Konzepten des Jahres 2020 und zur Ehrenrettung der Agilität, die als „out“ gebrandmarkt wird: Wenn Organisationen unter agil verstehen, allen Teammitglieder je nach Fähigkeit und (Zeit-)Ressource die Möglichkeit zu geben, an den Zielen aktiv mitzugestalten, dann wird das wohl 2020 und darüber hinaus seine Berechtigung haben. Wenn agil heißt, dass unvollkommene, nicht perfekte Lösungen aber viele gute Ideen früh zur Diskussion gestellt werden, dass Beteiligung vieler im positiven Sinne der Weiterentwicklung möglich ist, dann ist das für 2020 noch immer ein wunderbarer Gedanke. Daher: Verabschieden Sie 2020 Buzz-Words. Tun Sie das, was Sie können mit Leidenschaft, beobachten und reflektieren Sie – vielleicht ergeben sich neue Sichtweisen und Muster. Dann kann 2020 nur ein erfolgreiches Jahr werden.