Archiv des Autors: Gerhild Deutinger

Führung wirkt, wenn sie ermutigt

Führungskräfte haben es in der Hand: ob das Team, das Projekt, der Veränderungsprozess toppt oder floppt. Ihre Haltung entscheidet weit mehr als ihre Aktivitäten. Die Management-Literatur hat dafür einen neuen Lieblingsbegriff entwickelt ermutigende Führung. Ermutigung ist eine Grundhaltung, die auf Zuversicht fußt und die Führungskräfte nicht nur ihren MitarbeiterInnen gegenüber, sondern auch sich selbst gegenüber entwickelt sollten. Es geht nicht um ein Mehr an Lob, Zufriedenheit und Anerkennung im Jour Fix. Ermutigung zielt nicht auf bereit Erreichtes, das es hervorzuheben und zu betonen gälte. Ermutigung zielt auf Künftiges. Sie soll den nächsten und übernächsten Schritt begleiten. Vor allem dann, wenn Probleme, Hindernisse oder unlösbar Scheinendes auftritt, brauchen Mitarbeitende Ermutigung. Durchzuhalten, etwas zu wagen, dranzubleiben, sich zu überwinden. Ermutigung wirkt der Resignation entgegen. Wenn Sie mehr über das Thema lesen wollen: Winfried Berner hat mit KollegInnen einen spannenden Ratgeber für eine „Kultur des Wachstums“ verfasst und sich der ermutigenden Führung und wie man sie umsetzt, gestellt: Mehr unter Ermutigende Führung/Berner

Puls messen in der Organisation

Für Mediziner ist die Pulsmessung eine der wichtigsten Untersuchungen. Sie legen ihre Finger auf die Arterie und ziehen so Rückschlüsse auf Frequenz und Qualität des Herzschlags sowie auf die Kreislaufsituation. Pulsmessungen sind auch im Organisationsumfeld machbar und möglich: zu spüren, ob sich die Zahl der Schläge erhöht, ob Auf- oder Erregung herrscht, ob die Stimmung kippt oder ob Gleichklang, Ruhe und Produktivität vorherrschen. Viele Organisationen versuchen über Befragungen herauszufinden, wie es den Mitarbeitenden geht und welche Anliegen, Sorgen und Wünsche sie haben. Auch Fokusgruppen sind ein gerne genutztes organisiertes Instrument. Genauso wichtig erachte ich eine ganz simple Form der Pulsmessung, die jeder Projekt- und Teamverantwortliche, jede Führungskraft jederzeit anwenden kann: das Hinspüren. Kling esoterisch, ist es aber nicht. Beobachten Sie, wie sich Ihr Team im „Ruhezustand“ verhält. Wie gehen die Teammitglieder miteinander um? Wie wird miteinander diskutiert, gelacht, einander geholfen? Was sind die verbindenden Elemente im Team? Wenn Sie eine „Messung im Ruhezustand“ für sich ganz persönlich gemacht – und idealerweise dokumentiert – haben , merken Sie Veränderungen. Sie erleben, wenn der Puls steigt, wenn auf andere Weise diskutiert, gelacht oder einander geholfen wird. Regelmäßig hinzuspüren, sprich konzentriert zu beobachten und zeitgerecht Schlüsse zu ziehen, gehört zur ersten Aufgabe wirksamer Führungskräfte.

Der Pygmalion-Effekt der Führung

Vielleicht kennen Sie die Geschichte noch aus Ihrem Latein-Unterricht oder aus eigenem Erleben? Ovid hielt fest, dass der Künstler Pygmalion von Zypern eine Statue erschuf, in die er sich unsterblich verliebte. Er behandelt das Abbild wie einen echten Menschen bis dieser lebendig wurde. Nach dem Künstler ist der so genannte Pygmalion-Effekt benannt, der in der wissenschaftlichen Literatur als Rosenthal-Effekt oder Versuchsleiter-Erwartungseffekt bezeichnet wird. Er belegt, dass die Erwartung des Lehrenden zu tatsächlich besseren Leistungen des oder der Schülerin führen. Das spannende daran ist, dass nicht (nur) das Urteil des Lehrers etwa in Form guter Noten steigt – die nachweisbare Leistung des oder der Schülerin stieg.

Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson haben in ihren Feldversuchen in den Jahren bis 1966 mehrfach experimentell nachgewiesen, dass ein Lehrer, dem suggeriert wird, einige SchülerInnen seien besonders begabt, diese unbewusst so fördert, dass sie am Ende auch faktisch ihre Leistungen steigern konnten. Ihre Experimente wurden wiederholt und mehrfach bestätigt. Woran liegt das nun genau? Die PädagogInnen im Experiment veränderten ihr Verhalten unbewusst, wenn sie einen Schüler/eine Schülerin als begabt oder positiv einschätzen, glaubten aber neutral zu sein. Die persönliche Zuwendung war höher, die Rückmeldungen häufiger und differenzierter. Die als begabt gesehenen Kinder erhielten zudem Förderung durch angemessene und weitergehende Lerninhalte.

Was lernen wir daraus für die Führung? Wer seinen Mitarbeitenden viel zutraut und hohe Erwartungen an sie hat, ändert unbewußt seinen Führungsstil. Führende, die ihrem Team Höchstleistungen zutrauen, begegnen ihm freundlicher, teilen anspruchsvollere Aufgaben zu, geben informell bessere Rückmeldungen. Als Konsequenz erwartet das Team an sich selbst auch mehr und ist bereit für Herausforderungen , ist motivierter und mutiger. Die „Macht der guten Erwartung“ oder die selbsterfüllende Prophezeiung setzen eine positive Aufwärtsspirale in Gang. Leider gibt es das auch im Negativbereich; der so genannte Golem-Effekt besagt, dass auch eine negative Erwartung sich selbst bestätigen kann. Bei Mitarbeitenden, denen der Vorgesetzte wenig Entwicklungspotenzial zuschreibt, sinken deren Leistungen.

Überlegen Sie also als Führungskraft, wie Sie Ihr Team sehen: als Dreamteam, in das sie hohe Erwartungen setzen, oder als Looser, denen Sie alles tausend Mal erklären müssen. Beides wird Wirklichkeit, wie Pygmalions Statue.

Chronos oder Kairos?

Muss im Change alles schnell gehen? Braucht es den rechten Augenblick, um ein Veränderungsprojekt zu starten? Mit „Fragen zur Zeit“ in Veränderungen befassten sich am 20. Juni 2018 ein Podium mit Gerhild Deutinger, Birgit Höttl, Leiterin der Mondi Academy, Peter Dosti, Psychotherapeut, und Dr. Ulrike Felt, Dekanin der Fakultät für Sozialwissenschaften, unter der Moderation von Michael Köttritsch, Die Presse.

Eingeleitet wurde die Diskussion von den beiden griechischen Göttern, die für den Begriff Zeit stehen und doch etwas anderes meinen: Chronos, der Gott der Zeit, steht für das Verstreichen von Zeit, einem Zeitverlauf, für Beginn und Ende. Kairos, der zweite der erwähnten griechischen Götter der Zeit, steht für den rechten Augenblick, den Moment. Ob immer der richtige Zeitpunkt für ein organisatorisches Change-Projekt gewählt wird und ob die Zeitlänge erfolgsentscheidend ist, das wagte das Podium nicht zu beantworten. Es braucht für Change Mut, und der wächst manchmal mit der Zeit oder er verschwindet mit zunehmendem Zeitverlauf. Vor zu großer Eile und Zeitknappheit, wenn es um Kulturveränderung geht, warnte Gerhild Deutinger, Leiterin impulsbüro. Es braucht einfach Zeit, bis Menschen einer neue Idee vertrauen, neue Haltungen und Verhaltensweisen einnehmen. Das kann in 1.000 Tagen oft noch nicht erfolgt sein. Manchmal in Veränderungsprozessen sollte man sich vergegenwärtigen: „Als Gott die Zeit erschuf, hat er von Eile nichts gesagt.“

Mehr über die Podiumsdiskussion lesen Sie unter:

https://diepresse.com/home/karriere/bewerbungstipps/5451389/Talk_Zeit-fuer-Veraenderung

 

Konsent oder Konsens?

Nur ein Buchstabe und doch eine andere Welt, Entscheidungen zu finden.

Das Wort „Konsens“ kennen fast alle: Wir diskutieren so lange, bis alle mit der Entscheidung einverstanden sind. Das Wort stammt vom lateinischen consensus, was Übereinstimmung und Einhelligkeit bedeutet. Ganz anders der Begriff Konsent, der aus der Soziokratie kommt: Eine Entscheidung gilt, solange keiner einen schwerwiegenden Einspruch hat. Also in kurz: Konsens ist, wenn alle dafür sind, Konsent wenn keiner dagegen ist. Die Auswirkungen dieser Umkehr sind nicht zu unterschätzen: Um zu einem Konsens zu kommen, müssen sich manchmal alle Beteiligten auf einen Kompromis einigen. Der kleinste gemeinsame Nenner kann dann den Konsens herbeiführen. Bei einem Konsent wird der Vorschlag als solcher akzeptiert; die Beteiligten versuchen gemeinsam die Einwände zu minimieren, also die Lösung zu variieren oder möglicherweise nach ganz neuen Lösungen zu suchen, so dass weniger oder gar keine Einwände mehr übrig bleiben.

Trump als Ideengeber

Haben Sie sich jemals gefragt, wie Sie Donald Trump sinnvoll und gewinnbringend in Meetings einbauen können? Nein? Wir schon und stellen Ihnen hier eine ungewöhnliche Intervention vor.

Ab und zu gelangen Gruppen und Teams an den Punkt, an dem sie sich im Kreis zu drehen beginnen. Die immer gleichen Gedanken werden gewälzt, die immer gleichen Lösungsvorschläge in die Sitzung eingebracht. Donald Trump kann diesen Punkt durchbrechen. Zeigen Sie Ihrer Gruppe oder Ihrem Team ein Bild des US-amerikanischen Präsidenten und stellen Sie die durchaus ernst gemeinte, provokante Frage: „Wie würde Donald Trump unser Problem lösen?“ Was Sie ziemlich sicher als erste Reaktion ernten, ist ein Lachen. Und das befreit bekanntlich. Wenn sich Ihre Gruppe dann über Fake News unterhält, Schimpftiraden ausprobiert oder ganz neue Aspekte entwickelt, die so schräg sind, dass nur ein Präsident Trump auf diese Idee kommen kann, haben Sie ein Teilziel erreicht: Raus aus dem immer gleichen Denkmuster! Jetzt gilt es, die Energie zu nutzen, um neue – konstruktive –Ideen zu entwickeln.

Ein Fingerzeig für ein Wort

Wenn die geballte Faust nach oben geht oder zwei Arme in die Höhe schnellen, dann muss das nicht ein Boxkampf sein. Es kann auch eine geführte Diskussion mit Handzeichen-Regeln sein.

Um Zwischenrufe – gerade bei hitzigen Themen – zu reduzieren, greifen Moderationen gerne auf Körpersignale zurück. Klassisch aus der Schule kennen wir das Aufzeigen mit einem Arm oder einer Hand. Das bedeutet: ich habe etwas zu sagen. Wenn bei einer Handzeichen-Moderation gleichzeitig zwei Finger oder Arme gehoben werden, dann heißt das: ich möchte auf das eben Gesagte reagieren oder kann eine gestellte Frage beantworten. Wer zwei Finger oder Arme hebt, hat Vorrang gegenüber anderen, die sich zu Wort melden. Wichtig ist aber, dass die Zwei-Finger-Meldung wirklich mit Bedacht gewählt wird. Aus der Gebärdensprache übernehmen ModeratorInnen gerne das Zeichen für Applaus bzw. Zustimmung: nach oben gestreckte Handflächen, die aus dem Handgelenk gedreht werden. Nicht-Zustimmung zeigen zwei gekreuzte, gehobene Handflächen. Und wer gar nicht mit einem Vorschlag einverstanden ist, kann eine geballte Faust nach oben recken und schon ist sein Einspruch für alle sicht- und erkennbar.

Eine wunderbare Darstellung der mehr Informationen über Handzeichen finden Sie unter dem Link http://diskussionshandzeichen.wordpress.com. Probieren Sie es aus: Sichtbare Körperarbeit kann manche Sitzung besser strukturieren als viele Worte.

 

 

Bei 10 ist Schluss

Wussten Sie, dass bei Google kein Meeting mehr als zehn Teilnehmende haben darf. Acht wäre eigentlich die höchste Zahl, bei zehn ist aber wirklich Ende.
Google hat sich sehr klare Meeting-Regeln verpasst, was die Zahl und die TeilnehmerInnen-Beteiligung anbelangt. Neben der limitierten Zahl dürfen bei Google-Meetings keine BeobachterInnen und keine Prestige-Teilnehmenden in einer Sitzung sein. Sprich: wer nichts Inhaltliches beizutragen hat, wird entweder gar nicht eingeladen oder fliegt in der Sitzungseröffnung raus. Eigentlich sollten TeilnehmerInnen ohne Meetingbeitrag bis spätestens 24 Stunden vorher absagen. Falls das aber nicht ganz klar ist, wird jede Sitzung damit eröffnet, dass die Teilnehmenden sich outen müssen: Was haben sie konkret zum Meeting beizutragen? Ist ihr Beitrag zu gering, verlassen sie unmittelbar den Raum. Eine andere Regel gilt für all jene, die während eines Meetings das Handy checken oder sonstigen Ablenkungen nachgehen. Auch sie müssen das Meeting verlassen, denn er oder sie kann anscheinend nichts mehr zur Diskussion beitragen.

An der Meetingschraube drehen

„Unsere Meetings sind nicht effizient.“ Diesen Satz hören wir immer wieder. Doch Kosmetikkorrekturen wie das Einführen von Zeitmanagement oder einer Agenda, die Wahl von Internen ModeratorInnen oder der Kauf flexibel gestaltbarer Möbel ändern dran wenig. Warum? Nun, die Meetingkultur ist die sicht- und erlebbare Verdichtung der Organisationskultur. In einem Meeting sehen Sie ein Konzentrat dessen, was in einer Organisation gut oder eben schiefläuft. Drehen Sie an der Meetingschraube, dann beeinflusst das die ganze Organisation. Und da sich diese gerne bewahrt oder quer stellt, bleiben auch Meetingregeln ungelebt. Daher: nicht nur an einer Schraube drehen, es könnte die falsche sein. Betrachten Sie, was Sie bei Meetings am meisten stört und dann überlegen Sie, welche Entsprechung in der Gesamtorganisation das hat. An der richtigen Stelle gebohrt und geschraubt hält deutlich besser!

Partizipation lernen

impulsbüro. begleitete Caritas Hilfe in Not bei einem Bottom-Up-Prozess: aus sieben unabhängigen Einheiten wurde ein Beratungszentrum. Wie diese Einheiten sich kennen lernen, miteinander in Kontakt treten und zusammenwachsen, das bestimmten die Mitarbeitenden. Mehr dazu lesen Sie im Artikel „Chancen und Grenzen der Partizipation“ erschienen in der Zeitschrift ZOE 01/2018

Bis 6. März 2018 können Sie eine kostenlose Ausgabe des  Heftes bestellen, wenn Sie folgendem Link folgen:

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