Archiv der Kategorie: Strategie & Organisation

Soll ich oder soll ich nicht?

Entscheidungsunsicherheit in der Führung nimmt zu

Natürlich können Sie Gänseblümchen zupfen und sich fragen: Soll ich oder soll ich nicht. Sie können auch untertauchen und warten, bis eine Entscheidung ohne Sie getroffen wird. 55% aller Führungskräfte überlegen das mehr als einmal täglich. Sie sind laut einer Studie von Oracle mit dem Titel „The Decision Dilemma“ (2023) unsicher, wie sie entscheiden oder welchen Weg sie nehmen sollen. 14.000 Führungskräfte in 17 Ländern wurden online befragt und räumten ein, dass sie sich datengestützte Hilfe wünschen (97%). Gleichzeitig meinen 73% der Befragten, dass das mangelnde Vertrauen in Daten sie blockierten. Also noch mehr Dilemma: Selbst entscheiden oder die Daten entscheiden lassen?

In China ist im Unternehmen Fujian Netdragon Websoft zumindest diese Entscheidung gefallen. Seit August 2022 wird der asiatische Konzern von einer künstlichen Intelligenz geleitet. Die KI-Chefin wird Tang Yu genannt, hat eine 168 Stunden-Woche und analysiert Daten. Auf dieser Basis soll sie faire und transparente Entscheidungen fällen – vorausgesetzt ihr Algorithmus wurde vorurteilsfrei programmiert.

Einen Vorteil hat die KI allemal: sie ist schneller und zweifelt weniger. Denn laut der erwähnten Oracle-Studie hat die Quantität überproportional zugenommen: die Zahl täglicher Beschlüsse habe sich in drei Jahren verzehnfacht, gaben 60% der Führungskräfte an. Aber ist nicht gerade ein gesunder Zweifel manchmal auch etwas Gutes? Nicht sofort dem Kopf oder dem Bauch nachgeben und nochmals drüber schlafen bzw. Menschen aus der Organisation konsultieren, die ebenso eine Meinung haben? Manchmal braucht es nämlich auch Führung, die zuhört statt Schnellschüsse abgibt. Denn 93% der Befragten wissen: Die Entscheidungsintelligenz von Führungskräften ist ausschlaggebend für den Organisationserfolg. Oder wie es Stefan Titscher in seinem Buch „Entscheidungen: umsetzen“ ausdrückte: EE = f (EQxIQ). Wenn Sie wissen wollen, was die Formel bedeutet lesen Sie unseren Artikel:
Nicht-Entscheidungen: Kopfkino in Organisationen

Schutzschirm Organisationskultur

Die Organisationskultur ist schon lange kein so genannter „weicher“ Faktor mehr. Sie ist ein zentraler Faktor, damit sich Fachkräfte oder junge Leute für ein Unternehmen und gegen ein anderes entscheiden. Sie ist ein weiterer Faktor, um Mitarbeitende zu binden und zu Mehrleistung, wenn etwa eine Transformation ansteht, zu bewegen. Und sie ist – wie der deutsche Unternehmensberater Winfried Berner in seinem Buch „Cultural Change“ wunderbar ausführt – der Unterschied in harten wirtschaftlichen Zahlen. Mehr zur Unternehmenskultur von W. Berner lesen Sie hier: Unternehmenskultur

Kultur in der Organisation ist immer – selbst dann, wenn sie nicht gesteuert und gebildet wird. Es ist die Art, wie am Morgen die Begrüßung unter den Mitarbeitenden und zu den Führungskräften stattfindet, wie die Meetings gestaltet sind, wer wann was sagen oder eben nicht sagen, anmerken oder kritisieren darf. Es ist das Gefühl, mit Freude oder Ärger den Arbeitstag zu verbringen und auf Unternehmensgegenstände Wert zu legen oder achtlos mit dem Eigentum umzugehen.

Gerade in Zeiten der Unsicherheit suchen Mitarbeitende nach Sicherheit und Stabilität. Die Organisationskultur kann einer dieser Haltegriffe sein, die ergriffen werden, wenn das Boot schaukelt. Organisationskultur ist verlässlich; sie ist berechenbar. Und damit ist sie auch manchmal ein Hindernis, wenn der vermeintliche Schutzschirm nicht mehr passt oder zeitgemäß ist.

Eine Kultur zu ändern ist hart. Das hat der US-amerikanische Ökonom Peter Drucker wunderbar im Zitat „Culture east strategy for breakfast“ zusammengefasst. Eine Kultur ist stärker als jede Strategie oder jeder Strategiewechsel. Kultur ist das unsichtbare Band, das in den Organisationen die Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet. Sie ist die DNA der Organisation, die in Geschichten und Anekdoten lebt.

Aber sie ist änderbar! Mit den Menschen, die sie leben, und wenn die neue Kultur einen passenden besseren Schutzschirm bildet. Denn die alte Kultur weggenommen und alle im Regen stehen lassen, das befeuert nur die Wehmut, dass früher alles besser war.

Steckt das Übergangs-Management in den Kinderschuhen?

Ein 3-Schritte-Plan, um das Generationen- und Übergangs-Management einer Organisation rasch und mit Effekt zu entwickeln.

Das Recruiting sucht. Oftmals sind in Konzernen hunderte Stellen gleichzeitig ausgeschrieben. Die Personalrechtsabteilung setzt die Verträge jener auf, die kommen. Die Führungskräfte kümmern sich um das Onboarding der Neuen. Die Personalentwicklung sichtet Talente, der Betriebsrat sorgt sich um altersgerechte Arbeitsplätze und die Finanzabteilung berechnet Planstellen. Manchmal existiert auch eine Stelle für das Wissensmanagement und eine Diversitätsbeauftragte: Viele Stellen rund um das Thema Mensch in der Organisation.

Für ein gelingendes Generationen- und Übergangs-Management sind gerade diese vielen Stellen das größte Hindernis. Denn das Thema ist eine Querschnittsmaterie, die nicht nur wie ein Puzzle betrachtet werden kann, sondern eine Gesamtbetrachtung braucht. Neben der nun modernen „Employer Journey“, also dem Weg des Mitarbeitenden vom ersten Arbeitstag bis zum Ausscheiden, braucht es den Blick aus der Strategiebrille: Welche Mitarbeitenden mit welchem Wissen und welchen Fähigkeiten können die Herausforderungen, der sich die Organisation stellen wird, am besten lösen? Welches Wissen braucht die Organisation langfristig und von welchem sollte sie sich besser trennen? Welche Kultur und welches Miteinander kann die Zukunft unterstützen und welche (vielleicht aktuell herrschendes) ist kontraproduktiv?

Wir empfehlen für ein gutes und funktionierendes Generationen- und Übergangs-Management drei strategische Schritte:

  • Erstens: Nominierung EINER verantwortlichen Stelle, die sowohl die HR-Kompetenz als auch Zugang zu Strategie- und Entwicklungs-Prozessen der Organisation hat.
  • Zweitens: diese Stelle soll die (und glauben Sie mir Daten gibt es!) verfügbaren Einzeldaten der Organisation bündeln und mit neuen Verfahren, wie etwa Simulationen anreichern. Es überrascht uns immer wieder, dass verschiedene Stellen uns Zahlen liefern für den Bedarf von Mitarbeitenden und für das Ausscheiden, dass Fluktuationen woanders erhoben werden als Anträge zu Bildungskarenzen. Selbst Mitarbeiter*innen-Zahlen werden tendenziell nur als FTE ausgewiesen statt lebensphasen-geprägt und nach Bedürfnissen.
  • Drittens: Auf Basis der Daten und des Wissens um die Weiterentwicklung der Organisation kann nun ein langfristiger strategischer Plan für Wissenssicherung, für Kulturarbeit, für Aufnahme- und Personal-Entwicklung verfasst werden.

Besonders dann, wenn Transformationen oder größere Eingriffe bevorstehen, brauchen Verantwortliche viel Wissen rund um ihre Mitarbeitenden: von jenen, die derzeit das Rad am Laufen halten und jenen, die bald in den Ruhestand gehen, sowie von jenen, die demnächst kommen sollen. Denn Veränderung geht nur mit den Menschen, die eine Organisation bilden. Julia Balogun, Lektorin für Strategic Management der Cranfield School of Management, hat einmal so ausgedrückt: „Change is about changing people, not organisations[1]

[1]Balogun, Julia: Strategic change. Erschienen in Management Quarterly Part 10, Januar 2001.

 

Nicht-Entscheidungen: „Kopfkino“ in Organisationen

Kennen Sie das? Sie können sich einfach nicht entscheiden.

Besser die weiße Bluse oder den grünen Blazer? Dem neuen Jobangebot zusagen oder im bisherigen bleiben? Diese Nicht-Entscheidung kurz „FOBO“ (fear of better option/offer) beschreibt die Angst, eine Entscheidung zu treffen, die nicht optimal ist. Es könnte ja eine bessere kommen. Denn jede Option, die eine Person oder Organisation wählt, eliminiert die anderen.

Zunehmend verbreitet sich dieses Nicht-Entscheiden aus meiner Wahrnehmung auch in Organisationen und Teams. Die Pandemie könnte das verstärkt haben, da eine Vielzahl von Entscheidungen kurzfristig zu treffen waren und nun die langfristig strategischen Weichen auf neuem Fundament gefällt werden müssen.

Mit jeder Entscheidung bringt eine Organisation „auch zum Ausdruck (…), wie man die Zukunft sieht“, so der Universitätsprofessor und Autor Stefan Titscher. Sein Buch „Entscheidungen: umsetzen“ vom Verlag facultas, lege ich allen, die jetzt im Herbst vor weitgehenden strategischen Weichenstellungen stehen, ans Herz. Nicht nur wegen der besten „mathematischen“ Formel, die ich dort kennenlernen durfte: EE = f (EQxIQ). Der Erfolg einer Entscheidung (EE) ist von der Qualität des Entscheidungsprozesses (EQ) und der Qualität der Implementierung (IQ) – also der Umsetzung bestimmt.

Die Kunst des Fluchens

Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal geflucht?

Als der Computer oder eine Software nicht das gemacht hat, was Ihrem Wunsch entsprach? Oder als Ihnen der Bus, die Straßenbahn oder ein Zug vor der Nase davongefahren ist? Wir alle tun es – oder halten uns vornehm zurück, obwohl wir es gerne tun würden.

Dabei bestätigen Forschungen, die sich mit der Disziplin des Schimpfens und Fluchens befassen, positive Wirkungen. „Malediktologie“ nennt sich das Gebiet aus Psycholinguistik, Soziolinguistik und Psychologie, das sich mit der Wirkung des Schimpfwortgebrauchs befasst. Angeblich wird damit die Arbeitsatmosphäre verbessert; so empfehlen manche Forschenden unkonventionelle Sprache unter Mitarbeitenden zuzulassen, sofern diese niemanden diskriminieren. Denn die authentische Reaktion, die in einem Schwall Schimpfworte steckt, wirkt wie ein Ventil und kann psychische Anspannung lösen. Der Abbau von Stress und negativen Emotionen sowie schmerzlindernde Wirkungen werden dem Fluchen nachgesagt. Ebenso wie eine Förderung der Gruppenzugehörigkeit, wie die Linguistin Nicola Daly in ihrer Arbeit unter dem Titel „Rolle vulgärer Sprache für die Gruppendynamik“ festgestellt hat.

Mehr über die Malediktologie und zahlreiche Verweise auf Forschung finden Sie in diesem Artikel des Spektrum.

„Real New Work“: Wir suchen Mitarbeiter*in per 1.9.22

Gesucht für 20 Stunden/Wochen: Umsteiger*innen, Quereinsteiger*innen oder studentische Unterstützer*innen

Wir suchen ab 1. September 2022 für unsere Bürogemeinschaft eine offene, fröhliche, flexible und engagierte Assistenz und Moderationsbegleitung. Unser gut gelegenes Büro am Spittelberg arbeitet mit Herausforderung rund um Veränderungen, Führung und Diversität: bei Organisationen und bei Führungspersonen. Um alle Themen und Aufträge zeitlich gut zu bewältigen, benötigen wir operative Unterstützung: bei Seminarvor- und -nachbereitungen, bei Recherchen, bei der Wartung unserer Websites, Newsletters und Frühstücks-Salons, bei der Betreuung der Kunden, der Datenbanken und der Buchhaltungsvorbereitung.

Wie bieten eine hohe zeitliche Flexibilität, damit sich Ausbildung und Job ausgehen. Die Arbeitsumgebung ist modern und designed, die Atmosphäre freundschaftlich geprägt. Home-Office ist in Absprache möglich, Laptop wird gestellt.

Bisher waren wir als Sprungbrett für Quereinsteigerinnen in die Beratung sehr erfolgreich. Eine Mitarbeiterin, die eine Lehre im Gastgewerbe absolviert hat und vorher gekellnert hat, ist heute – nach drei Jahren impulsbüro. – mit einem Bachelorabschluss als Trainerin im Kommunikationsbereich aktiv. Eine Mitarbeiterin, die als Elementarpädagogin den Bildungsbereich gegen den Wirtschaftssektor wechseln wollte, ist nach 2 ½ Jahren demnächst als agile Projektmanagerin in einem internationalen Konzern tätig.

Passen unsere Vorstellungen zu Ihrer Lebens- und Arbeitssituation? Senden Sie ein paar Zeilen über sich an gerhild.deutinger@impulsbuero.at

Was ändert sich im „mixed mode“?

Hybrides Arbeiten ändert zuerst die Führung

Isabel leitet ein Team mit zwölf Personen. Zwei davon sind erst in der Pandemiezeit zum Team gestoßen und haben ein Online-Onboarding hinter sich: sie kennen nur wenige der Teammitglieder face-to-face. Drei Personen des Teams sind oder gehen demnächst in Altersteilzeit und möchten sooft wie möglich am Firmenstandort sein, weil sie sich selbst als „online-müde“ bezeichnen. Von den sieben anderen wollen zwei am liebsten 100% im Home-office arbeiten.

Um in einen guten „mixed mode“ zu kommen, bei dem ein Teil der Belegschaft am Standort der Organisation arbeitet und ein Teil bei Kunden oder zu Hause, müssen mehrere Fragen beantwortet werden: Wer arbeitet wann? Wie arbeiten die Teammitglieder miteinander? Zu welchen Zeiten überschneiden sich örtliche und zeitliche Präsenzen, um etwa Meetings anzusetzen? Für welche Arbeiten braucht es Austausch und wie kann dieser formell und informell hergestellt werden?

Unsere Empfehlung: Gehen Sie einen Schritt weiter, als nur die derzeit vordringlichen Zeitfragen zu stellen. Damit das neue Arbeiten in diesem mixed mode funktioniert, sollte Zusammenarbeit komplett neu gedacht und neu definiert werden. Betriebsvereinbarungen für Home-office reichen nicht aus. Sie sind ein guter neuer rechtlicher Rahmen, aber bringen Teams und Organisationen nicht in ein neues Arbeiten.

So kommen Sie ins neue Arbeiten

Führung, die den Change ins neue Arbeiten ernst nimmt, fragt nach zeitlich synchronen und asynchronen Aufgabe im Team. Sie klärt die Bedeutung des standortgebundenen Arbeitens und des Nichtstandortbundenen. Aus dieser Matrix definiert sie individuelle, bilaterale und teambezogene Aufgaben, die in die Zukunft weisen und streicht jene, die aus der Vergangenheit oder der Krisenbewältigung „übrig“ geblieben sind. Idealerweise passiert ein solcher Zukunftsprozess mit dem eigenen Team oder der ganzen Organisation. Daraus können Prämissen für das neue Arbeiten entstehen, die wiederum Anlehnung an agile Werte haben können. Diese stellen gegenüber, welcher Wert von Bedeutung ist und Vorrang gegenüber anderen hat. Voraussetzung dafür ist eine Führungsperson, die das neue Arbeiten als Change begreift und Veränderung zulässt. So wie Isabel, die zuerst die Beziehungen im Team vertieft hat, um das (wieder) Kennenlernen nach langer Absenz zu ermöglichen. Um im nächsten Schritt eine Neuausrichtung des Teams und seiner Aufgaben zu planen.

 

 

Aus den Augen verloren?

So gehen Sie gegen den „Distance Bias“ vor.

In den USA gibt es eine Inschrift in den Seitenspiegeln von Autos „Objects in the mirror are closer than they appear“, also andere Fahrzeige können näher sein, als es den Anschein hat. Nähe und Distanz ist auch ein großes Thema, seit das Home-Office vor zwei Jahren zum neuen Normal geworden ist: Wie nahe sind wir Teammitgliedern, Kolleg*innen, den Führungsverantwortlichen bzw. wie distanziert ist das gegenseitige Verhältnis geworden, wenn wir uns nur „in Kacheln“ oder überhaupt nur als dunklen Kreis mit namentlicher Abkürzung erleben?

Je näher uns – räumlich und zeitlich – Dinge sind, desto wichtiger empfinden wir sie, das besagen der so genannte Distance-Bias und Gegenwarts-Bias. Räumliche Nähe erleben wir durch physisches Zusammenkommen, wenn alle oder viele nun wieder im Büro am Standort werken. Digitale Abstimmungen und Meetings bauen vielfach Distanz auf. Wie wird das dann im „mixed mode“ sein, wenn ein Teil der Belegschaft an den Standort zurückkehrt und ein Teil im Home-Office verbleibt? Oder wenn einige mehr Home-Office und andere mehr Büro-Tage für sich wählen?

Führungskräfte sind hier besonders gefordert, nicht in den Distance Bias zu fallen, der Menschen und ihre Leistungen überbewertet, nur weil sie räumlich näher und „greifbarer“ sind. Überlegen Sie als Führungskraft genau, wenn es um Projektzuteilungen, um Aussprachen, um Aufmerksamkeit – und auch um Beförderung oder positive Leistungsbeurteilung – geht, ob Sie Teammitglieder, die sie im Büro erleben oder zeitlich öfter kontaktieren, (unbewusst) bevorzugen. In den Hintergrund treten Teammitglieder, die alleine und selbständig werken können oder solche, die das Home-Office brauchen, weil sie den Pflege- oder Obsorgebedarf nicht anders lösen könnten. Sie und ihre Leistungen werden nahezu „unsichtbar“. Der wunderbare Ausspruch „Nur die Leistung zählt“ gilt nämlich im mixed mode nicht unbedingt, selbst, wenn Führungspersonen sich das einreden.

Mehr über den Distance Bias und einige Ideen, wie er in Meetings reduziert werden kann lesen Sie >> hier.

ZOOM-freie Freitage und oder doch 4-Tages-Woche

Good Practices für 2022.

Schon im März 2021 hat die amerikanische Investmentbank Citigroup Stopp gerufen: Zuviele Online-Meetings, dauernde Erreichbarkeit, fehlende Work-Life-Balance im home-office. Die Freitage sind seither „Zoom-free“. Der Gedanke, der dahintersteckt: die allgemein um sich greifende Pandemie-Müdigkeit zu reduzieren.

Gleichzeitig hat die CEO der Citigroup den 28. Mai zum unternehmensfreien Tag erklärt. Er wurde zum „Citi Reset Day“ erklärt. Reset bedeutet, dass die „Grundstellung“ wieder erreicht werden soll. Ein Zurücksetzen auf die Zeit vor der Pandemie.

Die meisten Unternehmen überlegen gerade, wie die Zeit-Aufteilung zwischen Arbeit zu Hause und Arbeit vor Ort funktionieren wird: einige wie SAP ermöglichen 100% Entscheidungsfreiheit, Porsche setze auf bis zu zwölf Tage pro Jahr. Spannender sind Ansätze für die 4-Tages-Woche, wie sie beispielsweise von der österreichischen Kreativ-Agentur von Béatrice und Martin Verdino seit zwei Jahren praktiziert wird. Seit Mai 2019 arbeiten die Mitarbeiter*innen von Montag bis Donnerstag neun Stunden pro Tag, dafür ist der Freitag frei. Über ihre Erfahrungen berichten die beiden -> hier.

 

Machen Sie nicht den Apple-Google-Fehler

Wir schreiben April 2021. Apple und Google geben ihre Rückkehrpläne aus dem Home-Office für die Belegschaft geltend ab 1. Juli 2021 bekannt. In einem internen Google-Memo an die amerikanischen Mitarbeiter*innen etwa wurde verlautbart, dass sie mindestens drei Tage pro Woche in die Büro zurück zu kehren haben und alle, die nach dem 1. September mehr als 14 Tage pro Jahr remote arbeiten wollen, einen Antrag stellen müssten. Ähnlich lautete die Apple-Vorgabe an die Mitarbeitenden, die an Montagen, Dienstagen und Donnerstagen ab Herbst in die Büros zurück kommen sollten – was mit einer Kündigungswelle quittiert wurde. (Mehr hier.)

Nach einem Aufschrei unter der Belegschaft haben beide Firmen zurückgerudert und neue Vereinbarungen geschaffen.
(Mehr in diesem CNN-Bericht)

Wie kam es zu diesem Vorstoß und seiner Rücknahme? Bei den Unternehmen waren alle Führungskräfte (also mehrere tausend Menschen) an der Entwicklung der Rückkehr-Regelungen beteiligt. Ihnen ist der Wunsch der Angestellten nach flexibler Arbeitszeit und -form, nach remote work, nicht aufgefallen. In einem offenen Brief der Mitarbeitenden heißt es: „Over the last year we often felt not just unheard, but at times actively ignored…“ Als gäbe es eine Trennung zwischen dem Führungsteam und den Mitarbeiter*innen, eine gläserne Decke der Nicht-Kommunikation und des Nicht-Verstandenwerdens.

Die Verhaltensökonomie hat eine Erklärung dafür und nennt das den Ankereffekt. Menschen – in unserem Fall Führungskräfte – haben sich bei ihrer Entscheidung stark von den unmittelbaren Umgebungen und eigenen Wünschen leiten und lenken lassen, ohne das zu bemerken. Sie haben eigene Annahmen als Basis weiterer Überlegungen – als „Anker“ – genutzt. An ihnen orientierten sie sich für die Ausarbeitung der Pläne und für Entscheidungen. Im Beispiel Apple und Google kam es zu einer systematischen Verzerrung der Sichtweise in Richtung des Ankers. Deshalb: Raus aus dem eigenen (Führungs-)Kreis und zuhören. Wirklich zuhören! Mehr dazu im Artikel „Angst vor echter Transformation?“