Archiv des Autors: Gerhild Deutinger

Gender Data: Warum sie wichtig sind

Unsere Organisationen werden nicht absichtlich frauenfeindlich gestaltet. Aber manchmal werden Frauen nicht mitgedacht. Vor kurzem war ich mit einer Kollegin bei einem Industriebetrieb, der weitaus mehr Arbeiterinnen als Arbeiter beschäftigt. Dennoch waren die Maschinen auf die männliche Größe genormt und die Anzahl der Waschräume und Toilett-Anlagen war zwischen Frauen und Männern exakt gleich. Was dazu führt, dass Frauen beim Umziehen warten mussten, Männer nicht. In der gleichen Woche wünschte sich eine Bildungseinrichtung mehr Frauen, die sich für Spitzenpositionen bewerben und die anscheinend nicht zu finden sind.

Zwei von vielen Beispielen, wie Frauen anders mitgedacht werden müssten: im beruflichen Alltag, beim Recruitingprozess und beim Ansprechen für Förderung. Dieser „unbeabsichtigten Diskriminierung“ kann man gut entgegenwirken: mit Evidenzen und dem Erheben von Zahlen. Wenn wir anfangen zu fragen: Für wen wurde das entwickelt? Und: Wer wurde vergessen?

Viel Statistik steck in jenen Kennzahlen, die in den Organisationen vorhanden sind: die Verteilung nach Geschlecht in allen Unternehmensbereichen, der Anteil weiblicher Führungskräfte, Beförderungen und Neueinstellungen sowie die Fluktuation nach Geschlecht. Erhebungen, ob sich mehr Männer oder Frauen bewerben, oder wieviel Männer bzw. Frauen Schulungsangebote in welchem Zeitausmaß in Anspruch nehmen, wären meist machbar.

Qualitative Verfahren wie Interviews, Fokusgruppen oder Beobachtungen unterstützen die Analyse von Rollenbildern, Machtstrukturen und Diskriminierungserfahrungen. Dieser Prozess, oft als Gender-Scanning bezeichnet, bindet die Belegschaft aktiv ein.

Daten sind aber nur so gut wie das, was man damit macht: Nach der Datenerhebung braucht es eine sorgfältige Auswertung, um Ungleichheiten sichtbar zu machen. Und die Planung von zielgerichteten Maßnahmen zur Förderung von Gleichstellung und Inklusion. Auf Basis fundierter Zahlen können Verantwortliche andere und tiefere Einblicke in ihre Organisation bekommen und nachhaltig Veränderungen gestalten.

Sodexo – Mehr Erfolg durch Gender-Daten Das Unternehmen Sodexo hatte mit Gender Data Erfolg: Durch kontinuierliches Sammeln und Auswerten von Gender-Daten stieg der Anteil weiblicher Beschäftigter von 17 Prozent auf 55 Prozent. Als Folge konnte Sodexo einen Anstieg des Bruttogewinns um 23 Prozent verzeichnen und das Unternehmensimage verbesserte sich um 5 Prozent. Gender-Daten ermöglichten es Sodexo, gezielt Programme zur Förderung von Frauen zu entwickeln und Fortschritte messbar zu machen.

Der Weg zu gendersensiblen Meetings

Gegen Manterrupting und für Teilhabe

Wir sprechen von Meetingkultur, von effizienten Sitzungen – aber sprechen wir auch von Teilhabe? Von Sprechanteilen? Von Zuhörverhalten? Gendersensible Meetings sind kein „Nice to have“. Sie sind der Schlüssel für bessere Ergebnisse – und für eine gerechtere Arbeitswelt.

Wer in Sitzungen regelmäßig unterbrochen wird, äußert sich irgendwann gar nicht mehr. Und wer nie gehört wird, zieht sich innerlich zurück. Männer unterbrechen Frauen in Gesprächen deutlich häufiger als umgekehrt. Diesen „Manterrupting“ genannten Effekt belegt ua eine Studie der George Washington University. Männer und Frauen werden in jeweils dreiminütigen Gesprächen beobachtet. Das Ergebnis: Männer unterbrachen ihre weiblichen Gesprächspartnerinnen im Schnitt 2,6 Mal pro Gespräch, während Frauen Männer durchschnittlich nur einmal unterbrachen. Bei Gesprächen unter Männern lag die Zahl der Unterbrechungen bei etwa zwei (mehr dazu im Artikel von Anne Shoemaker “Manterrupting: How To Take Your Power Back” und im Forbs-Artikel “Gal Interrupted, Why Men Interrupt Women And How To Avert This In The Workplace”). Weitere Details zur Methodik und den exakten Zahlen finden sich auch in der wissenschaftlichen Zusammenfassung von Arin N. Reeves (“Mansplaining, Manterrupting & Bropropriating: Gender Bias and the Pervasive Interruption of Women”, 2015)  

Eine Untersuchung an der Northwestern University ergab, dass männliche Richter des US-Supreme Courts ihre Kolleginnen etwa dreimal so häufig unterbrechen wie ihre männlichen Kollegen. Die Studie analysierte 15 Jahre an Protokollen aus dem Supreme Court und zeigte, dass rund 65% aller Unterbrechungen weiblichen Richtern gelten, obwohl sie deutlich weniger als ein Drittel des Gerichts stellen. Eine Zusammenfassung und aktuellen Vergleich können Sie in diesem Artikel nachlesen.

Was es braucht, damit alle wirklich mitreden können

Klare Regeln und eine Evaluierung dieser Regeln sind der erste Schritt zu gendersensiblen Meetings. Antworten auf diese Fragen können helfen:

  • Wer spricht in Diskussionen wie lange?
  • Wer wird zu Präsentationen eingeladen und bekommt wieviel Zeit dafür?
  • Wer wird unterbrochen, wie oft und und von wem?
  • Wer bekommt welche Tasks aus dem Meeting und wer keine?
  • Wer verfasst das Protokoll, wer übernimmt Organisation eines Meetings und wer hat die Leitung?

Die Evaluierung kann ganz einfach während des Meetings passieren: Fangen Sie mit „Stricherllisten“ an und besprechen Sie diese im Kreis der Teilnehmenden. Was lernen Sie daraus für das nächste Meeting? Die bewusste Steuerung und Einflussnahme in Meetings kann ein idealer Anfangspunkt für eine (gender-)sensible Unternehmenskultur sein.

Nicht zu vergessen ist auch der digitale Raum: Das IHS untersucht derzeit digitale Meetings aus der Genderperspektive und wer hier wie gehört, unterbrochen oder ignoriert wird. Im Projekt unter Leitung von Laura Wiesböck entstand ein Leitfaden für Geschlechtergerechtigkeit in Online-Meetings, der hier zur Verfügung steht: Website des Projekts.

Neun Destinationen und nur einmal reisekrank

Zwei Jahre, 42 Teams und 25 Termine. impulsbüro. unter Gerhild Deutinger und Magdalena May begleiteten Helvetia Versicherung bei einer wahrhaft spannenden Reise in deren Purpose-Welten. Das Ziel war es, die Werte zu vertiefen und auf den eigenen Alltag zu „übersetzen“.

Wir haben mit den Teams neun verschiedene Destinationen in Form von Interventionen besucht. Diese erlaubten, den Blick in andere Welten außerhalb der eigenen Komfortzone zu werfen, um sich anschließend besser mit der eigenen zu befassen. So waren wir in Tirol beim Trommeln, in Wien im Untergrund unterwegs und in Oberösterreich durften wir eine Sterbebegleiterin alles zu ihrem Umgang mit Endlichkeit fragen. Berührend, aufrüttelnd, neu.

Nur das Eintauchen in digitale Räume hat bei vielen den Wunsch nach Auftauchen ausgelöst: manche litten an der VR-Krankheit, auch Motion Sickness genannt. Eine Art Schwindel, da die Augen Bewegung wahrnahmen, während der Körper stillstand. Wir haben also noch eine lange Reise vor uns, bevor wir kopfüber in neue Welten springen können.

Verhaltensökonomie: Im Einsatz für gutes Change Management

Jeder Change Verantwortliche hat es schon erlebt: Mitarbeitende entscheiden selten rational im Vertrauen auf die Argumente des Managements, sondern lassen sich stark von Emotionen leiten. Kognitive Verzerrungen und soziale Einflüsse bestimmen unser Handeln oft stärker als logische Überlegungen. Das erkannte bereits Adam Smith im 18. Jahrhundert. Doch der Durchbruch der Verhaltensökonomie kam erst in den 1970er Jahren mit Daniel Kahneman und Amos Tversky, die mit der Prospect Theory zeigten: Verluste schmerzen uns mehr als gleich große Gewinne erfreuen (Verlustaversion). Für diese Forschung erhielt Kahneman später den Nobelpreis.

Verlustaversion und der Umgang mit Veränderungen

Im Change Management zeigt sich: Mitarbeitende fürchten oft mehr, was sie verlieren könnten, als dass sie sich über mögliche Gewinne durch Veränderungen freuen. Wer Veränderungen kommuniziert, sollte deshalb nicht nur Vorteile betonen, sondern auch die Risiken des Nicht-Handelns klar machen – etwa den Verlust von Wettbewerbsfähigkeit. Studien zeigen, dass solche Formulierungen die Bereitschaft zur Veränderung deutlich erhöhen können.

Mitmachen lassen und Spaß haben: Vom „IKEA-Effekt“ bis Nudging

Menschen schätzen Dinge, an denen sie selbst mitgewirkt haben, deutlich höher ein. Experimente und Praxisbeispiele – etwa aus der Finanzbranche – zeigen, dass selbst kleine Spielräume für eigene Beiträge die Akzeptanz von Veränderungen enorm steigern. Wer Mitarbeitende aktiv beteiligt, sorgt für mehr Identifikation und geringere Widerstände.

Nudging wiederum sind kleine Anstöße mit großer Wirkung. Mitarbeitende oder Bürgerinnen werden durch kleine, gezielte Impulse zu gewünschtem Verhalten bewegt, ohne sie zu bevormunden. Spielerische Anreize wie der musikalische Mülleimer am Flughafen in Kopenhagen, der beim Einwerfen von Abfall Melodien erzeugt, fördern nachhaltige Verhaltensänderungen. Auch der Hinweis auf soziale Normen – „Die Mehrheit nutzt schon das neue System“ – kann die Bereitschaft zur Veränderung erhöhen.

Praxistest im Frühstücks-Salon im Mai 2025

Bei unserem 18. Frühstücks-Salon des „Team Salon Breite Gasse“ am 28.5.2025 beleuchteten wir die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie mit Change Verantwortlichen aus dem Gesundheits- und Universitätsbereich, mit Arbeitsmarkt-Verantwortlichen und Wirtschaftstreibenden. Ihre Erfahrungen aus der Praxis zusammengefasst:

• Das Werkzeug „Partizipation“ ermöglicht Gestaltungsspielräume, aber muss wirklich immer bis zu Ende gedacht werden. Wieviel und welche Form der Mitarbeiter*innen-Partizipation verträgt die Organisation und das mittlere Management?
• Nudging ist als Konzept bekannt, aber noch nicht gezielt eingesetzt. Hier braucht es noch Experimentier-Räume und gute Ideen, um neue Verhaltensweisen zu fördern.
• Risiken und Verluste des Status quo klar kommunizieren: nicht Angst machen, sondern ein klares Problembewusstsein schaffen. Das setzt aber konsequente Kommunikation top-down mit echten Zahlen voraus, die in der volatilen Wirtschaftslage derzeit schwanken.
• Mehr emotionale Dynamiken im Team berücksichtigen und Raum für Gefühle lassen. Führungskräfte brauchen Schulung in Bezug auf das Emotionen-Management.

Bildquelle: ChatGPT erstellt am 4.06.2025

Kultur-Change: Ein Tag Chef*in sein

Was würden Sie tun, wenn Sie einen ganz Tag lang mit der obersten Instanz Ihrer Organisation tauschen würden? Mehr Gehalt für alle bewilligen? Eine Führungsebene abschaffen oder einfach nur Da-Sein?

Das Prinzip „CEO of the Day“, bei dem Mitarbeitende für einen Tag die Rolle des CEO übernehmen und Entscheidungen treffen dürfen, wurde in den USA von der Digital-Firma Vincit realisiert. Es ist dort ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur und wurde zur Förderung der Mitbestimmung aller Mitarbeitenden eingeführt. Jede*r kann sich bewerben – unabhängig von der Hierarchie oder Funktion – und für einen Tag tatsächlich die Rolle des CEO übernehmen und Entscheidungen treffen. Auch finanzielle!

Europäische Firmen haben sich das Programm als Vorbild genommen, etwa die Schweizer Großbank UBS, die niederländische Heineken oder Adecco (Schweiz/Frankreich). Dabei werden allerdings nicht die „Sesseln“ von CEO und Mitarbeitenden tatsächlich gewechselt, sondern ausgewählten Nachwuchstalenten die Möglichkeit gegeben, einen Tag lang den CEO zu begleiten. So bekommen diese Einblicke in strategische Entscheidungen und können eigene Ideen im direkten Gespräch einbringen. Konkrete, herausragende wirtschaftliche oder kulturelle Durchbrüche, die direkt auf solche Programme zurückgeführt werden können, sind jedoch – noch – nicht dokumentiert.

Also: wer aus Österreich traut sich den echten Wechsel zu?

Psychologische Sicherheit: Kein Kuschelkonzept

Amy Edmondson, die Begründerin des Konzepts der psychologischen Sicherheit, stellt im aktuellen Harvard Business Review (What People Get Wrong About Psychological Safety) klar, dass ihr Ansatz häufig missverstanden wird. Viele Unternehmen interpretieren psychologische Sicherheit fälschlicherweise als ein Umfeld, in dem sich alle wohlfühlen, Harmonie herrscht und Kritik vermieden wird. Das sei jedoch nicht der Kern der Idee.

Tatsächlich beschreibt psychologische Sicherheit ein Arbeitsklima, in dem sich Mitarbeitende trauen, Fragen zu stellen, Fehler zuzugeben, Bedenken zu äußern und neue Ideen einzubringen – ohne Angst vor negativen Konsequenzen wie Bloßstellung oder Sanktionen.

Keine Ausrede für Leistungsschwäche

Edmondson betont, dass psychologische Sicherheit kein Freifahrtschein für mangelnde Leistung oder respektloses Verhalten ist. Sie ersetzt nicht die Notwendigkeit von klaren Leistungsstandards und Verantwortlichkeiten. Vielmehr schafft sie die Grundlage dafür, dass Teams offen miteinander kommunizieren, ehrlich Feedback geben und gemeinsam aus Fehlern lernen können.

Gerade in einer zunehmend komplexen und dynamischen Arbeitswelt ist die Fähigkeit, sich offen auszutauschen und voneinander zu lernen, ein zentraler Erfolgsfaktor. Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind innovativer, anpassungsfähiger und meistern Herausforderungen gemeinsam besser.

Psychologische Sicherheit ist kein „Kuschelkonzept“, sondern ein Motor für Leistung und Innovation. Sie entsteht durch eine respektvolle offene Feedbackkultur und klare Erwartungen – nicht durch Harmonie um jeden Preis. Organisationen, die diese Form der Zusammenarbeit fördern, profitieren langfristig von engagierten, lernbereiten und leistungsfähigen Teams.

Bildquelle: ChatGPT erstellt am 4.06.2025

Artikulation statt „Schweige-Konsens“

Kennen Sie das „Abilene Paradoxon“? Der Begriff kommt aus der Gruppendynamik und beschreibt Entscheidung, die getroffen werden, die niemand wirklich will. Der Management-Professor Jerry B. Harvey hat diesen Begriff geprägt (Artikel zum Nachlesen)

Es handelt sich um einen kollektiven Trugschluss: Eine Gruppe von Menschen entscheidet sich gemeinsam für eine Vorgehensweise, die den Präferenzen der meisten oder aller Individuen in der Gruppe zuwiderläuft. Gleichzeitig glaubt jede und jeder, dass die Entscheidung den meisten anderen gefällt oder sie übereinstimmen.

Verdeutlicht hat Harvey das mit einer Anekdote, die an einem heißen Tag im Juli 1974 in den USA beginnt. Er sitzt mit seiner Frau und deren Eltern auf der Veranda, es ist Sonntagnachmittag. Der Schwiegervater schlägt vor, zum Abendessen nach Abilene zu fahren. Seine Frau stimmt zu, die Schwiegermutter hält es für eine gute Idee und damit fährt die Familie im Sandstum und im damals sicher nicht klimatisierten Auto 53 Meilen zum Essen hin und 53 Meilen retour. Vier Stunden später, als alle erschöpft und überhitzt, enttäuscht über das schlechte Essen zu Hause ankommen, will Harvey den Abend retten und spricht von einem „tollen Ausflug“, woraufhin die Schwiegermutter gesteht, sie wäre von Anfang an lieber zuhause geblieben. Weil aber alle so begeistert waren, wäre sie mitgefahren. Der Schwiegervater räumt ein, er hätte den Vorschlag überhaupt nur deshalb gemacht, weil er dachte, der Familie wäre langweilig gewesen. Harvey und seine Frau wiederum wären nur mitgekommen, um die anderen glücklich zu machen. Wie konnte das passieren? Vier mündige Erwachsene machen freiwillig einen Ausflug, auf den keiner Lust hatte.

Es ist laut Harvey und dem so Abilene Paradoxon das Ergebnis von Konsens durch Schweigen. Mehrere Faktoren können zum Abilene-Paradoxon, die sich nicht nur in Familien, sondern vor allem in Teams und ganzen Organisationen zeigt, beitragen:

  • Mangelhafte Kommunikationserfahrungen innerhalb der Gruppe: wenn Teammitglieder nicht gelernt haben, sich auszudrücken oder es nicht gewohnt sich individuelle Vorlieben und Wünsche offen zu äußern, entsteht Schweigen, das keinem hilft
  • Harmonie-Orientierung: Ein starker Wunsch von Einzelpersonen und ganzen Teams nach Harmonie führt zu Vermeidung selbst kleinerer Aussprache; diese brauchen wir aber für das Lernen, wie mit Dissens umgegangen wird und damit Teams zu einer gesunden Konfliktkultur kommen. Unter Umständen kommt diese Harmonie-Orientierung aus der Angst vor Ablehnung, Gegenreaktion oder negative Konsequenzen, wenn eine Person ihre abweichende Meinung äußert.
  • Groupthink [Janis, I. I. (1972). Victims of groupthink. Boston: Houghton-Mifflin] Groupthink ist ein psychologisches Phänomen, bei dem der Wunsch nach Einstimmigkeit Vorrang hat. Obwohl der oder die einzelne eine andere Meinung hat, schließt er*sie sich der Gruppenmeinung an. Niemand möchte der oder diejenige sein, der Zweifel oder Kritik laut ausspricht. Die Gruppe ist wie ein eigenständig denkender Organismus, der auch Entscheidungen einstimmig trifft (obwohl Personen einzeln gefragt, anders entschieden hätten).

Für das Thema Widerstand im Change lernen wir schon in „Normalzeiten“ zu lernen, auf kritische Stimmen zu hören, Dissens als wichtiges Korrektiv zu sehen und Formen des Umgangs zu finden. Gegenteilige Positionen sind ein gesunder Teil des Miteinanders in Teams und Organisationen.  

Schnelles einschreiten bei Mikro-Aggressionen

Was Mikro-Aggressionen mit dem Firmenklima zu tun haben und warum Führungskräfte dagegen aktiv auftreten müssen

Eine Mitarbeiterin, die den neuen türkischen Kollegen Uğurcan konsequent falsch ausspricht. Der Chef, der den Buchhalterinnen lang und breit erklärt, wie sie die Verbuchung korrekt machen sollen. Der Vorarbeiter, der Witze über Behinderte reißt, seit die Fabrikshalle barrierefrei umgestaltet wird.

Mikroaggressionen sind kleine, subtile Formen von Diskriminierung. Sie können gegen Frauen, Menschen aus anderen Ländern oder Religionen, Personen mit Einschränkungen oder besonderen Merkmalen auftreten. Stets gleich ist ihnen die Machtdemonstration und die Ausgrenzung bestimmter Personen oder Personengruppen.

Da sie oftmals „en passant“ in halblauter Hörweite ausgesprochen werden oder im informellen Kreis, ist das Einschreiten gegen Aussagen oder Verhaltensweisen schwer. Ebenso ihr Gewöhnungseffekt, der dann in Aussagen mündet wie „So ist er oder sie halt…“, wenn Mikro-Aggressionen von immer gleichen Personen getätigt werden.

Diese Mikro-Aggressionen belasten nicht nur jene, die damit direkt konfrontiert sind; sie erleben damit (laufend), nicht Teil der Arbeitsgemeinschaft zu sein. Auch jene, die ihnen indirekt ausgesetzt sind, werden unterwandert: mit Bösartigkeit und Zynismus in Spaltungsabsicht. Darunter leiden Organisationsklima, Beziehungsarbeit und letztendlich auch Produktivität von Teams. 

Aus diesem Grund müssen Führungskräfte neben ihren vielfältigen Aufgaben auch noch Antidiskriminierungsarbeit leisten: das heißt, frühzeitig einschreiten, Klarstellen, dass ein Witz, eine Aussage, eine Bemerkung… keinen Platz in dieser Organisation haben. Grenzen setzen, wenn andere sie überschreiten – das geht beim ersten Mal einer wahrgenommenen Mikroaggression sogar weitaus besser, als wenn sich Gruppen an einen bestimmten Ton gewöhnt haben. Dann kann das Klima nämlich schon vergiftet sein.

Bildquelle: Chat GPT 4o (Jänner 2025)

Akzeptanz reduziert Pessimismusstress

Fit für Transformationen durch Akzeptanz und positives Verstärkern

Vor kurzem hörte ich das Interview mit einer Politikwissenschafterin. Sie bemerkte, dass politische Parteien (weltweit) derzeit Pessimist*innen als erste Zielgruppe adressierten. Wer aber spricht die Menschen mit positiver Grundhaltung, mit Zuversicht und optimistischem Blick an? Wie ist das in Unternehmen und Organisationen? Steht hier auch der Negativismus an erster Stelle und wenn ja, was bedeutet das? Grundsätzlich aus meiner Beobachtung wird in Organisationen viel getan, um den so genannten Purpose zu heben – den (eher positiv besetzten) Sinn und Zweck der Firma. Gleichzeitig wird auf individueller und Teamebene wenig getan, negative Grundhaltung von Mitarbeitenden zu bearbeiten. Gerade das ist in Transformationszeiten aber wichtig: wenn wir laufend verstärken, was uns Angst macht oder uns ärgert, dann schöpfen wir daraus wenig Kraft für Veränderungen. Wenn jede noch so kleine Änderung als Vorbote etwas großem Schrecklichem gesehen wird, wie können wir eine Neuorientierung da bewältigen?

Zusammenhang zwischen Akzeptanz und psychischer Gesundheit

Jede*r einzelne Mitarbeitende und jedes Team kann die Endlosschleife des Negativen durchbrechen. Einzelne durch Akzeptanz statt Beurteilung. Das haben Forschende 2018 in einer Langzeitstudie festgestellt, die Sie hier nachlesen können: Akzeptanz hilft, weniger negative Emotionen als Reaktion auf Stressfaktoren zu erleben. Die Akzeptanz negativer mentaler Erfahrungen führt langfristig zu besserer psychischer Gesundheit. Das heißt im Unternehmenskontext nicht, keine Kritik mehr zu äußern. Es heißt vielmehr, die rückwärtsgerichtete Sichtweise – „das hat noch nie funktioniert“ – abzustellen.

Führungskräfte können das unterstützen, indem „Fehler“ der Vergangenheit als Lernchancen und Erfahrungslernen geschätzt werden.

Akzeptanz beendet den Negativismus des Einzelnen während gemeinsame positive Erinnerungen das Team stärken. Durch gemeinsame Retrospektiven, die in der Rückschau das Morgen planen, können Teams sich selbst stärken und für Veränderungen fit machen. Eine diese Retro-Formen, die Starfish-Methode habe ich in diesem Beitrag näher beschrieben.

Ford BQ, Lam P, John OP, Mauss IB. The psychological health benefits of accepting negative emotions and thoughts: Laboratory, diary, and longitudinal evidence. J Pers Soc Psychol. 2018 Dec;115(6):1075-1092. doi: 10.1037/pspp0000157. Epub 2017 Jul 13. PMID: 28703602; PMCID: PMC5767148.

Bildquelle: Chat GPT 4o (Jänner 2025)

Mehr Zuversicht, bitte!

Ein intensives 2024 wird zu einem zuversichtlichen 2025

Wir blicken zurück und nach vorne: Martina Friedl und ich feierten 2024 das fünfjährige Bestehen des Team Breite Gasse mit 50 gemeinsamen Veranstaltungen bisher und spannenden Projekte ohne „copy & paste“.

Was wir in diesem Jahr bemerkten: der Druck steigt. Vor allem auf Führungsverantwortliche. Daher braucht es noch mehr als bisher den Fokus auf die richtigen Dinge und auf viel, viel Kommunikation. Denn Verstehen und nicht zuletzt Akzeptanz stellen wir nur durch Austausch und Dialog her. Wie wir die Jahre 2024 und 2025 sehen, haben wir in einem Video für Sie zusammengefasst.

Damit Sie im neuen Jahr die richtigen Dinge mit Schwung und Elan schaffen, stehen wir zur Verfügung. Zum Austausch, als Sparring- und Beratungspartnerinnen. Und gestalten für Führungskräfte Räume, in denen sie sich austauschen und Kraft schöpfen können. Am 16. Jänner 2025 geht es weiter > Einladung zum Frühstücks-Salon hier. Und wir haben für 2025 ein Motto ausgegeben: Stärkere Zuversicht trotz widriger Umstände. Mehr dazu im ganzen Jahr 2025!