Archiv des Autors: Gerhild Deutinger

Kaffeetratsch als Methode

„Gemma Kaffeetrinken?“ Diese Frage hören sicher manche von Ihnen zwischen den Büroräumen und manch einer folgt der Aufforderung gerne, nicht nur wegen des Kaffees – trotz des Kaffees.  Denn einerseits erfährt man in diesem Zeitfenster, was tatsächlich die Themen sind, die im Unternehmen kursieren. Anderseits ist der Austausch mit Personen anderer Abteilungen oder Ebenen beim Kaffee ganz ungezwungen, fast schon gemütlich. Dieses Phänomen macht sich das englische Gesundheitssystem derzeit zu Nutze und führt „verordnete Kaffeetratsch-Runden“ ein. Die heißen dann Huddles, sind unstrukturierte Treffen zwischen verschiedenen Disziplinen. Sie sollen ein Gegenstück zu den klassischen Meetings mit Agenda und Zeitstruktur sein, denn es geht um Austausch, um Tratsch auf Augenhöhe trotz Hierarchieunterschiede, um kurze Zwischen-Tür-und-Angel-Abstimmungen. Huddles ersetzen nicht Teambesprechungen oder Jour Fixe. Sie sind aber ein wunderbares Instrument, um zwischen Teams oder Abteilungen eine Gesprächs- und Vertrauensbasis herzustellen.

 

Unsicherheitsabsorption – was ist das denn?

Wir leben in einer Zeit, in der Unsicherheit zunimmt, Vorhersagen, was morgen sein wird, schwierig bis unmöglich werden, in der Change „The new normal“ (IBM 2012) ist. Dennoch messen und kontrollieren Unternehmen und Organisationen weiterhin den Status Quo der Gegenwart, planen strategisch die Zukunft, koordinieren Menschen und Prozesse. Sie geben Planungssicherheit mitten in Zeiten von Unsicherheit. Der Soziologe Niklas Luhmann meinte einmal, Unternehmen und Organisationen existieren allein zu einem Zweck, Unsicherheit zu reduzieren. Ihre Aufgabe als Konstrukt ist es, jede Unsicherheit zu absorbieren, Komplexität zu reduzieren und damit Sicherheit zu geben.

Der Begriff der Unsicherheitsabsorption kommt aber auch aus der Kommunikationswissenschaft. Hier bedeutet es, dass aus gesendeter Information vom Empfänger unsichere Schlüsse gezogen werden. Der Empfänger kommuniziert diese Schlüsse weiter – nicht aber die Information. Wer immer mit den Schlüssen konfrontiert ist, kann sich nur mehr an diesen und nicht an der Ausgangslage orientieren. Kommt Ihnen das im Zusammenhang mit der aktuellen medialen oder politischen Debatte bekannt vor?

Mut zur Unsicherheit

Unsicherheit ist zu einer Begleitkomponente des Alltags geworden. Mit vermeintlichen Heilsbringern und einfachen Lösungen werden wir diesem Gefühl, das wir auf wackeligem Grund stehen, nicht beikommen. Sich gegen die Unsicherheit aufzulehnen, bringt in etwa so viel, wie dem Echo zu verbieten, Gesagtes zu wiederholen. Was im ersten Schritt einfach klingt und doch schwer ist, kann helfen. Nämlich die Akzeptanz des Ungewissen als „normaler“ Parameter der Wissens- und Digitalisierungsgesellschaft. Akzeptieren Sie die Unsicherheit als unverrückbare Gegebenheit.

Mitten in der Unsicherheit wird die Rolle der Führungskräfte immer bedeutender. Allerdings nicht jener Führungskräfte, die meinen, auf alles Antworten zu haben. Verzichten Sie als Führungskraft auch darauf, die Unsicherheit mit Checklisten und Planungstools einzufangen. Reden Sie lieber mit Ihren Leuten darüber, was sie bewegt, wie es ihnen im volatilen Umfeld geht und – vor allem – hören Sie zu. Ein Kaffeeplausch, bei dem wirklich zugehört wird (siehe Artikel Kaffeetratsch als Methode) hilft oft mehr als Planungsklausuren.

 

Lust auf Leoben

Wie funktioniert lokale Demokratie, wie viele Stufen hat die Partizipationspyramide? Diese Fragen beantwortete am 9. Oktober 2017 Gerhild Deutinger interessierten BürgerInnen in Leoben. Im Workshop „Lust auf Demokratie“ im Rahmen der europäischen „Woche der lokalen Demokratie“ konnten die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leoben ihre Ideen für ein Miteinander einbringen. Zu finden auf der Facebookseite

Wirtschaftskammer diskutiert Change Kommunikation

„Kommunikation im Change“ unter diesem Motto fand am Mittwoch, 4. Oktober 2017, eine Veranstaltung der Wirtschaftskammer für Führungskräfte statt. Bei diesem interaktiv aufgebauten Workshop von Gerhild Deutinger ging es um die Rolle der Führungskräfte in Veränderungsprozessen: Wie können sie den Change stützen oder stürzen? Die zweite Hälfte des Seminars befasste sich mit Emotionen und Widerstand im Change. Die 40 TeilnehmerInnen lernten die Unterschiede von aktivem und passivem Widerstand kennen und warum Changemanagement besonders Emotionsmanagement ist. Durch Praxis-Beispiele und den Peergroup-Austausch war ein vertiefendes Verständnis für die nächsten Change-Schritte gegeben.

Langweilt Euch!

Wann haben Sie das letzte Mal gar nichts getan? Wirklich gar nichts? In der Sonne gelegen, ohne den Facebook- oder Twitter-Account zu checken? Wolken zuzusehen, wie sie sich verändern, ohne an die Abarbeitung von ToDo-Listen zu denken? Eine Ameise beim Arbeiten beobachten, ohne an das nächste Meeting zu denken?

Mehr und mehr verkürzen wir auch die Phasen des natürlichen Leerlaufes. Wenn wir eine U-Bahn versäumen, checken wir Mails. Wenn wir in einer Schlange vor der Kasse stehen, fühlen wir uns gestresst und verfassen einen Tweet. Wenn uns ein Film im Kino langweilt, surfen wir auf dem Smartphone.   

Gerade Führungskräften fällt es zunehmend schwer, nichts, wirklich gar nichts zu tun. Für sie wäre es aber in dringendem Maße notwendig, sich ab und zu einmal zu langweilen. Erstens ist es ein toller Check, um zu sehen, wie es um den eigenen Burn-Out-Status steht. Wer noch Muße findet, nachzugeben, nichts zu tun, kann abschalten und Ruhepause einnehmen. Zweites ist Langeweile eine gute Voraussetzung für Kreativität. Erst durch Langeweile kann unser Gehirn so richtig kreativ tätig werden, zeigt eine Studie zweier Psychologinnen von der University of California. Sandi Mann und Rebekah Cadman ließen Probanden sich langweilen, bevor sie ihnen eine kreative Aufgabe stellten. Deren Ergebnisse waren im Vergleich über 40% besser als jene der Vergleichsgruppen.

Das Motto für den Sommer lautet also: Müßiggang statt Optimierungszwang.

Auf den Sperrmüll

Zwei Mal im Jahr fand bei uns am Land früher die Sperrmüll-Aktion statt – einmal mitten im Sommer. Große, ungenutzte oder abgenutzte Gegenstände konnten vor die Tür gestellt werden und wurden binnen drei Tage abgeholt. Weg waren sie. In der Großstadt gibt es das nicht. Wer eine alte Matratze oder eine Kredenz der Großmutter loswerden will, muss selbst zur Sammelstelle fahren. Damit wird das Loslassen von Altem schwerer.

Eine Sperrmüll-Aktion wie damals, das täte vielen Organisationen heute gut. Ein bis zwei Mal im Jahr alte Stapel von Papier, die niemand liest, wirklich weg zu werfen, statt zu verstauen.

Prozesse und Abläufe auf ihr Sinnhaftigkeit zu prüfen und bevor sich unnotwendige Schleifen manifestieren, diese zu lösen. Wichtig dabei ist ein bewusster Akt: Entsorgen Sie überkommenen Dinge auch wirklich sichtbar!

Ein CEO, mit dem wir viel und gerne arbeiten, trommelt zwei Mal im Jahr seine Belegschaft zusammen. Dann wird alles ausgemistet, was nicht mehr  gebraucht und nicht mehr sinnvoll ist und vor den Augen aller zerrissen oder weggeschafft.

Richtig zuhören ist schwerer als man denkt.

Führungskräfte müssen einen Großteil ihrer Arbeitszeit mit Kommunikation verbringen. Einen Aspekt, der in der Vielfalt der Kommunikation oftmals zu kurz kommt, stellen wir Ihnen hier vor: dem Zuhören. Ja, auch zuhören gehört zur Kommunikation. Und das ist ganz und gar nicht trivial.

Die „Ich-verstehe“-Floskel oder das nickende „Mhm“ wird sehr oft beim oberflächlichen Zuhören eingesetzt. Ihre Artikulation kostet nicht viel Aufwand, während man in Gedanken seine eigenen Gegenargumente formuliert und den passenden Zeitpunkt abwartet, den Sprecher zu unterbrechen.

Echtes Zuhören verlangt aber, die eigenen Gedanken und sogar die eigenen Gefühle zurückzustellen. Es geht um ein Verstehen des Gegenübers, um ein Eintauchen in Inhalte des Vis à Vis und in seine Emotionen. Wie können Sie das schaffen?

Starten Sie mit der einfachsten Methode, dem Nachfragen. Stellen Sie passende Wie-Was- oder Wann-Fragen; aber hüten Sie sich vor Warum-Fragen, die nur darauf abzielen, dem Anderen ein schlechtes Gewissen zu machen.

Steigern Sie Ihre Zuhörer-Qualitäten durch Paraphrasieren. Dabei geht es darum, die gehörten Inhalte in eigenen Worten wieder zu geben. Nicht als Wiederholung oder Echo gedacht, sondern als Überprüfung, ob Sie das verstanden haben, was Ihnen Ihr Gesprächspartner zu vermitteln versucht.

Als höchste Stufe versuchen Sie, die Emotionen, die Sie beobachten können, in Wort zu fassen. Etwa: Ich sehe Dir an, dass Dich der Streit mit den Kollegen bedrückt.

Bei all diesen Methoden des Aktiven Zuhören ist eines wichtig: Echtes Interesse am Menschen, der Ihnen gegenüber sitzt.

Wenn zu viel Change krank macht

Change verursacht Stress, dies erhob der Stressreport Deutschland schon 2012 auf Basis von 17.562 Telefoninterviews mit abhängig Beschäftigten zwischen 15 und 77 Jahren, durchgeführt vom Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB und der Bildungsanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA. Die Belastung äußert sich vor allem in Müdigkeit und Erschöpfung, in Rücken- und Kopfschmerzen, in Nervosität, Reizbarkeit und in Schlafstörungen. Der Psychologe und Psychiater Manfred Spitzer vergleicht Unternehmen, die keine Umstrukturierung erleben mit jenen in Umstrukturierung. Er formuliert treffend: „Was auch immer man an Symptomen betrachtet, bei Umstrukturierungen hat man mehr davon!“ Relativ stark belastend im Hinblick darauf, wie Stress entsteht, so Spitzer weiter, seien vor allem das Fehlen von Informationen zu Entscheidungen und Änderungen am Arbeitsplatz sowie zur konkreten Arbeit selbst. Das heißt im umgekehrten Fall: Information im Veränderungsfall hilft, Stress zu reduzieren. Eine gute geplante, organisierte und ehrliche Kommunikation, die durchaus emotional ausfallen darf, erhält die Gesundheit – der Mitarbeitenden wie der Führungskräfte. Mehr zu diesem Thema lesen Sie unter SpringerProfessional.

Sind Neuauflagen wirklich besser?

Diese Frage können seit 26. April 2017 zahlreich ChangerInnen Österreichs beantworten, die zur Präsentation der Neuauflage von „Kommunikation im Change“ gekommen waren. Der Grund für den Verlag SpringerGabler, Heidelberg, war es, wegen der hohen Verkaufszahlen der Erstausgabe mit einer wirklichen Überarbeitung zu punkten. Was ist neu im Gegensatz zur Auflage 1 aus dem Jahr 2013? Alle Beispiele und Interviews sind erneuert; und das macht etwa die Hälfte des Buches aus. Wie in der bisherigen Auflage besteht die Neuauflage aus dem Teil I, der Theorie, und dem Teil II, der Praxis. In Teil II kommen Menschen zu Wort, die einen Change durchführten oder erlebten. Etwa der Bürgermeister von Kindberg, Christian Sander, der eine Gemeindefusion erfolgreich durchgeführt hat. Oder Alexandra Neumann, Kommunikationsverantwortliche für den ÖBB Hauptbahnhof, die über ihre „Geheimnisse“ erfolgreicher Veränderungskommunikation spricht. Ein Manager, der im Zuge einer Umstrukturierung seine Position verlor, schildert eindrücklich, seine emotionale Achterbahn. Das wahrscheinlich beste Learning überhaupt für Change ManagerInnen: Nehmt auf die Gefühle der Betroffenen Rücksicht! Wie das gehen kann, haben bei der Präsentation der Neuauflage die Gäste aus Unternehmen, Organisationen und der Verwaltung diskutiert. Intensiv, lustvoll und direkt: So hat die Neuauflage neue Menschen zusammengebracht, die neue Ideen geboren haben. Und so macht Neuauflage ganz sicher Sinn.

 

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