Archiv des Autors: Gerhild Deutinger

Matilda, Matilda

Matilda ist klein. Sie ist etwa 50 Zentimeter hoch und hat keinen Hals. Dafür große kreisrunde „Telleraugen“, die jede noch so kleinste Bewegung registrieren und damit mögliche Gefühlsschwankungen analysieren. Matilda ist Eigentum der Australischen Universität La Troube und ihr Job ist es, Bewerbungsgespräche zu führen. Sie stellt potenziellen Kandidaten 76 Fragen und analysiert Antworten plus Minenspiel. Aus der Kombination errechnet sie, welche Person für die jeweils ausgeschriebene Stelle am besten geeignet sei.

Entwickelt wurde Matilda von Professor Rajiv Khosla, Direktor des Forschungszentrums für Computer, Kommunikation und Soziale Innovation der La Trobe Universität. Mehr über die beiden finden Sie auf diesen Youtube-Video.

Sie finden, die Automatisierung und Digitalisierung geht zu weit? In wie weit gefährden selbstfahrende Autos, Drohnen-Paket-Zustellungen oder Datenanalysen menschliche Arbeitsplätze? Zwei Oxford-Professoren, Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborn, haben 2013 702 Jobprofile analysiert, in wie ferne sie sich durch Digitalisierung ändern. 47% der Arbeitsplätze, so die Autoren, werden mittelfristig von Robotern und Computern übernommen werden. Die Studie finden Sie hier: The future of Employemt.  A.T. Kearney sieht einer Studie zufolge in den nächsten 25 Jahren durch die Digitalisierung 44 Prozent aller österreichischen Arbeitsplätze bedroht. Mehr unter Studie sinkende Wertschöpfung.

Erneuerung? Erneuerung!

2012 meinte IBM in einer Studie: Change is the new normal. Das erleben viele Unternehmen und Organisationen heute: ein Wandel folgt auf den anderen, ein Veränderungsprojekt jagt das nächste. Heute fragen wir BeraterInnen uns, wie der Wandel sich ändern muss. Denn mit den bisherigen Instrumenten ist es schwer bis nahezu unmöglich, Neues hervorzubringen. Wir müssen lernen, in Alternativen zu denken. Denn für die Zukunft gibt es keine Blaupause mehr.

Ein Zugang ist, anstatt auf Restrukturierung zu setzen, eine Erneuerung aus sich selbst heraus zu schaffen. Mit einem hohen Maß an Konsequenz und Durchhaltevermögen sowie mit Einbindung der Betroffenen. Und indem man das, was bisher als gut und richtig galt, hinterfragen darf.  Selbsterneuerung startet nicht wie beispielsweise Restrukturierungen mit Zielvorgaben für die Zeit nach dem Change. Selbsterneuerung ist ein dynamischer Prozess, der vielmehr einem gemeinsamen Weg mit vagem Ziel entspricht. Einem Weg dorthin, wo es weh tut, bevor auf einem neuen Weg auch Sinnfragen gestellt werden dürfen. Einen guten Überblick über die Unterschiede von Change und Selbsterneuerung gibt ein aktueller Artikel im deutschen Wirtschaftsmagazin capital zu den 7 Schritten der Selbsterneuerung. Mehr hier!

Und wenn Sie nun neugierig geworden sind, ob es schon Beispiele gibt: Ja! Wie in Deutschland eine öffentliche Verwaltung sich selbst erneuert, können Sie hier nachlesen.
 

Ohne Mitarbeiter, Hierarchie und Vorgaben

Das Unternehmen W.L. Gore & Associates, bei uns unter dem Produktnamen Gore-Tex für wasserfeste Textilien bekannt, arbeitet ohne Vorgesetzte, ohne MitarbeiterInnen und auf Basis von Abmachungen. Kann das gut gehen? Bis jetzt ja. Denn das Unternehmen hat seit der Gründung vor 59 Jahren bislang keine Verluste gemacht und zählt zur Gruppe der 200 größten US-Privatfirmen mit geschätzten 2 Mrd. US$ pro Jahr. Umsatzzahlen gibt die Firma keine bekannt, dafür erzählt sie mehr über ihre Unternehmenskultur.

Gore ist alles andere als ein herkömmlicher Arbeitsplatz. Sie versteht ihre weltweit rund 10.000 MitarbeiterInnen als Teilhaber und nennt sie „Associates“. Associates geben persönlich ein Commitment ab, zum Wachstum des Unternehmens beizutragen. Dafür werden jedes Jahr elf Prozent des Bruttogehaltes in Aktien der Firma angelegt.

Hierarchien gibt es nicht: Jede Associate spricht jeden anderen direkt an. Damit die interne Kommunikation reibungsfrei funktioniert, ist kein Werk von Gore größer als 150 Personen bzw. 200 im Schichtbetrieb. Anstelle von Vorgaben gibt es Abmachungen unter den Associates. Vorgesetzte, so genannte Leaders, werden vom Team auf Zeit oder die Dauer eines Projektes gewählt. Sie kommen anschließend wieder in die Rolle einer KollegIn zurück. Probleme damit scheint es nur nach Außen zu geben, wenn ein Gesprächspartner einer Bank oder eines Lieferanten mit dem gleichgestellten Gore-Vis à Vis reden möchte. Auch dafür gibt es eine Lösung: Jede Associate hat Visitenkarten und trägt den notwendigen Rang einfach selbst ein.

 

 

Was bitte ist Ambiguitätstoleranz?

Führungskräfte sollten sie haben, eine hohe Ambiguitätstoleranz auch als Unsicherheits- oder Ungewissheitstoleranz bezeichnet. Es ist nichts anderes als die Fähigkeit, mehrdeutige Situationen oder Informationen sowie widersprüchliche Handlungsweisen zu akzeptieren. Ambiguitätstolerante Menschen halten Mehrdeutigkeiten und Widersprüche in ganz unterschiedlichen Situationen aus, ohne sich unwohl zu fühlen. Sie bleiben trotz Spannungsfeldes handlungsfähig.

Wer das schwarz-weiß-Denken aufgibt und Widerspruch als produktiven Impuls sieht, ist schon auf einem guten Weg, ambiguitätstolerant zu werden. Es gibt eine ganze Bandbreite an Grautönen und viele Wege, die ans Ziel führen. Abweichende Meinungen zu akzeptieren, zuzuhören und dann erst abzuwägen, das macht die Qualität guter Entscheidungsträger aus.

Good News aus aktuellen psychologischen Erkenntnissen: Ob und wie gut wir mit unsicheren, widersprüchlichen Situationen umgehen ist „in weiten Teilen Ergebnis von Sozialisations- und damit Lernprozessen“. Das bedeutet, jede/r von uns kann seine/ihre eigene Frustrations- und Ambiguitätstoleranz zumindest geringfügig steigern.

        

 

Widerspruch? Ja, bitte!

„Ich sehe das ganz anders als Sie!“ Welche Gefühle tauchen bei Ihnen auf, wenn Ihnen dieser Satz in einem Meeting entgegenhallt. Aufsteigender Ärger oder beginnende Unsicherheit? Rüsten Sie schon für den Gegenschlag oder würden Sie sich lieber in ein tiefes Loch stürzen, so es sich vor Ihnen auftäte? Wir mögen Widerspruch nicht unbedingt und reagieren oft höchst emotional, wenn jemand unsere Meinung oder Expertise in Frage stellt.

Aber warum eigentlich? Warum nicht einmal entspannt und neugierig sein, wie denn eine andere Meinung aussieht. Vielleicht ist diese neue Sichtweise bereichernd. Unter Umständen löst Sie ein Problem, an dem Sie selbst schon gefeilt haben und bringt Steinchen und Steine ins Rollen, die bei Ihnen Großes bewirken können. Getreu dem Motto von Johann Wolfgang von Goethe: Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.

Wenn Sie im Widerspruch nicht den Angriff, sondern den dahinter stehenden Inhalt betrachten, können Sie sich außerdem sicher sein: der- oder diejenige die/der widerspricht, hat sich mit Ihrer Meinung und Expertise auseinander gesetzt. Was gibt es also besseres, als auf Augenhöhe mit einer Person über einen Sachverhalt zu streiten, um neue Impulse zu bekommen. Wenn Ihnen das nächste Mal jemand widerspricht, danken Sie es ihr oder ihm mit Aufmerksamkeit und Wohlwollen, statt mit dem Fehdehandschuh.

 

 

10 Jahre impulsbüro.

Im Jahr 2007 startete das impulsbüro., damals noch im 9. Bezirk, gleich mit einem Leitbildprozess. Seit damals betreuen wir über hunderte Unternehmen, Organisationen, Non-Profits und Gemeinden bei Veränderungs- und Strategieprozessen, in der Organisationsentwicklung und bei Einzelmoderationen. Acht PartnerInnen und KollegInnen sind mit mir in manch spannendes Terrain aufgebrochen. Die Zusammenarbeit und Kooperation mit Ihnen bringt neben Spaß eine große Portion Weiterentwicklung im Sinne unserer Kunden. Wie etwa unsere Arbeitsgemeinschaft für Gender, Diversity und Inclusion mit Gabriele Strodl-Sollak und Susanne Schwanzer. Oder die Diskussionen um Teamevaluation mit Hans Fruhmann, die Aspekte der Lernenden Organisation mit Anita Frank oder die Tiefen menschlicher Emotionalität mit Michaela Kellner. Euch allen: Danke und auf weitere zehn und mehr gemeinsame Jahre an Auseinandersetzung und Entwicklung.

Quick Win: Damit die Puste nicht ausgeht

Nicht alle in einer Organisation sind von den „Träumen“, sprich Visionen des Wandels überzeugt und auch Träumer brauchen Bestätigung. Kurzfristige “Etappensiege”, so genannte „Quick Wins“, können hier sehr hilfreich sein. Darauf weist auch der US-amerikanisch Change-Guru John Kotter hin: „Generate Short Term Wins”. Was aber ist nun so ein Quick Win? Er ist ein schnell und leicht erzielbarer (erster) Erfolg in einem Wandelprozess, der helfen kann, beginnende Tiefpunkte zu überwinden und die Beteiligten weiter zu motivieren. Kotter charakterisiert einen Quick Win so: Er ist für viele Menschen sichtbar, eindeutig und bezieht sich klar auf den Wandelprozess. Wenn ein Teilziel früher erreicht ist oder mit weniger Kosten kann das ein Quick win sein. Oder eine sofort erlebbare Lösung für ein seit Jahren bestehendes Problem. Einen wunderbaren Quick Win hat es vor einigen Jahren bei der Zusammenführung zweier Unternehmen gegeben: Beide Firmen waren an unterschiedlichen Standorten; eine örtliche Zusammenlegung Teil eines sehr langfristigen Planes. Damit der Austausch aber rasch und unbürokratisch gelingt, haben die Change Verantwortlichen bald nach Start des Wandelprojektes eine Buslinie zwischen den Standorten ins Leben gerufen. Eine „Bushaltestelle“ in den Foyers war der sichtbare Teil des Quick Wins. Und der internen Kommunikation hat es außerdem einen Schub verliehen: auf den 30 Minuten Fahrt zwischen den beiden Standorten wurden zahlreiche Kontakte geknüpft und Vereinbarungen getroffen.

305 Seiten Interne Organisationskommunikation

16 Artikel von PraktikerInnen und WissenschafterInnen schwer ist der Sammelband „Interne Organisationskommunikation“ des Zentrum für Journalismus und Kommunikationsmanagement der Donauuniversität Krems, der im September 2016 erschien. Mit dabei auch ein Beitrag vom impulsbüro. über die Interne Kommunikation im Wandel. Die HerausgeberInnen Rosemarie Nowak und Michael Roither haben aus allen Artikel zehn Erfolgsfaktoren für Interne Kommunikation experziert, von denen ich Ihnen drei besonders an Herz lege:

a)    Informiert sein: Die Stelle, die kommuniziert, muss alles wissen. Wirklich alles. Und sie muss in Entscheidungsprozesse frühzeitig eingebunden sein. Denn handlungs- und gestaltungsfähig sind Interne KommunikatorInnen nur dann, wenn sie sie Zeit haben, Kommunikation zu planen und zu konzipieren.

b)    Rechtzeitig kommunizierten: Das richtige Timing ist alles. Wenn die Katze zu früh aus dem Sack hüpft, könnte es sich um einen freigelassenen Tiger handeln. Wenn Kommunikation zu spät erfolgt, wenn die Gerüchteküche mehr weiß, dann ist sie unglaubwürdig.

c)    Das Handwerkszeug beherrschen: Zu selten betont, aber dennoch einer der Hauptpunkte. Nur weil wir alle täglich zu Hause und im Büro miteinander kommunizieren, heißt das noch nicht, dass wir den Beruf der Kommunikation beherrschen. Sie gehen ja auch nicht zu einem Arzt, der sich über Fernsehserien weiterbildet.

Wer mehr lesen will, hier der Link zum Buch:  http://www.springer.com/de/book/9783658140977

 

 

 

Vision: „Traum mit Verfallsdatum“

Die wohl passendste und einfachste Definition, was denn eine Vision sei, hat Thomas Kell in seinem Werk „Die Kunst der Führung“ (Gabler 2005) geliefert: „Eine Vision ist ein Traum mit Verfallsdatum.“ Die Kraft der Vision liegt in einer guten, bildhaften Beschreibung, wie ein Unternehmen oder eine Organisation in drei, fünf oder zehn Jahren aussehen kann und sollte. Noch nicht Wirklichkeit, aber mit viel Potenzial, die Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Und irgendwann ist man dann dort…
Während in vielen Management-Handbüchern „wichtigste Merkmale einer guten Vision“ beschrieben werden (die ich für nett aber irrelevant halte), möchte ich Ihnen an dieser Stelle einen ganz anderen Hinweis geben: Eine Vision ist ein Traum, den viele träumen. Es hat wenig bis gar keine Kraft, wenn der CEO als einziger in der Firma von Innovationsfreude träumt, der Bürgermeister ganz allein von Kundennähe und der Abteilungsleiter einsam von einer Zielerreichung phantasiert. Eine Vision ist ein Traum, der verbindet, der alle in der Organisation mitnimmt und den dennoch jede und jeder für sich weiterträumen kann. Starten Sie in den Wandel also nicht mit einem laut Handbuch formal korrekten Visions-Statement, sondern mit einem Traum. Einem Traum, der kraftvoll genug ist, alle mitzunehmen. Und freuen Sie sich, wenn er ausgeträumt ist: denn dann ist der Change erfolgreich zu Ende.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Dieses Zitat von Hermann Hesse wurde in Österreich in den vergangenen Wochen oftmals gebraucht. Gerade am Beginn von Wandelprojekten und –prozessen können Unternehmen und Organisationen in ein Gefühl der Euphorie verfallen: endlich wird zusammengeräumt, mit ungeliebten Altlasten gebrochen, das Neue beschworen. Endlich ein „Way Out“ aus dem Bisherigen. Wenn es dann noch eine schöne, wunderbar erzählte Vision gibt, dann ist der Aufbruch perfekt.
Ein gut gesetzter Startschuss, der in den Betroffenen die Sehnsucht weckt, neue Wege zu beschreiten, ist wunderbar. Er ist nicht oft zu finden. Umso schöner, wenn es ihn gibt. Gleichzeitig birgt er eine große Gefahr: Starke Emotionen zu Beginn können recht schnell ins Gegenteil umschlagen. Denn Change ist harte Knochenarbeit. Anstrengung, Rückschläge, intensive Diskussionen seine üblichen Begleiter. Wer also einen Change plant und durchführt, muss sich bewusst sein: die Sehnsucht des Beginns gilt es in Motivation, Kraft und Energie für die schweren Zeiten des Wandels umzumünzen. Denn mit Arthur Schnitzler gesprochen: „Am Ende gilt doch nur, was wir getan und gelebt – und nicht, was wir ersehnt haben.“