Archiv der Kategorie: Change & Kommunikation

Kultur-Change: Ein Tag Chef*in sein

Was würden Sie tun, wenn Sie einen ganz Tag lang mit der obersten Instanz Ihrer Organisation tauschen würden? Mehr Gehalt für alle bewilligen? Eine Führungsebene abschaffen oder einfach nur Da-Sein?

Das Prinzip „CEO of the Day“, bei dem Mitarbeitende für einen Tag die Rolle des CEO übernehmen und Entscheidungen treffen dürfen, wurde in den USA von der Digital-Firma Vincit realisiert. Es ist dort ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur und wurde zur Förderung der Mitbestimmung aller Mitarbeitenden eingeführt. Jede*r kann sich bewerben – unabhängig von der Hierarchie oder Funktion – und für einen Tag tatsächlich die Rolle des CEO übernehmen und Entscheidungen treffen. Auch finanzielle!

Europäische Firmen haben sich das Programm als Vorbild genommen, etwa die Schweizer Großbank UBS, die niederländische Heineken oder Adecco (Schweiz/Frankreich). Dabei werden allerdings nicht die „Sesseln“ von CEO und Mitarbeitenden tatsächlich gewechselt, sondern ausgewählten Nachwuchstalenten die Möglichkeit gegeben, einen Tag lang den CEO zu begleiten. So bekommen diese Einblicke in strategische Entscheidungen und können eigene Ideen im direkten Gespräch einbringen. Konkrete, herausragende wirtschaftliche oder kulturelle Durchbrüche, die direkt auf solche Programme zurückgeführt werden können, sind jedoch – noch – nicht dokumentiert.

Also: wer aus Österreich traut sich den echten Wechsel zu?

Psychologische Sicherheit: Kein Kuschelkonzept

Amy Edmondson, die Begründerin des Konzepts der psychologischen Sicherheit, stellt im aktuellen Harvard Business Review (What People Get Wrong About Psychological Safety) klar, dass ihr Ansatz häufig missverstanden wird. Viele Unternehmen interpretieren psychologische Sicherheit fälschlicherweise als ein Umfeld, in dem sich alle wohlfühlen, Harmonie herrscht und Kritik vermieden wird. Das sei jedoch nicht der Kern der Idee.

Tatsächlich beschreibt psychologische Sicherheit ein Arbeitsklima, in dem sich Mitarbeitende trauen, Fragen zu stellen, Fehler zuzugeben, Bedenken zu äußern und neue Ideen einzubringen – ohne Angst vor negativen Konsequenzen wie Bloßstellung oder Sanktionen.

Keine Ausrede für Leistungsschwäche

Edmondson betont, dass psychologische Sicherheit kein Freifahrtschein für mangelnde Leistung oder respektloses Verhalten ist. Sie ersetzt nicht die Notwendigkeit von klaren Leistungsstandards und Verantwortlichkeiten. Vielmehr schafft sie die Grundlage dafür, dass Teams offen miteinander kommunizieren, ehrlich Feedback geben und gemeinsam aus Fehlern lernen können.

Gerade in einer zunehmend komplexen und dynamischen Arbeitswelt ist die Fähigkeit, sich offen auszutauschen und voneinander zu lernen, ein zentraler Erfolgsfaktor. Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind innovativer, anpassungsfähiger und meistern Herausforderungen gemeinsam besser.

Psychologische Sicherheit ist kein „Kuschelkonzept“, sondern ein Motor für Leistung und Innovation. Sie entsteht durch eine respektvolle offene Feedbackkultur und klare Erwartungen – nicht durch Harmonie um jeden Preis. Organisationen, die diese Form der Zusammenarbeit fördern, profitieren langfristig von engagierten, lernbereiten und leistungsfähigen Teams.

Bildquelle: ChatGPT erstellt am 4.06.2025

Artikulation statt „Schweige-Konsens“

Kennen Sie das „Abilene Paradoxon“? Der Begriff kommt aus der Gruppendynamik und beschreibt Entscheidung, die getroffen werden, die niemand wirklich will. Der Management-Professor Jerry B. Harvey hat diesen Begriff geprägt [https://www.aspeninstitute.org/wp-content/uploads/files/content/upload/16-Harvey-Abilene-Paradox-redacted.pdf]

Es handelt sich um einen kollektiven Trugschluss: Eine Gruppe von Menschen entscheidet sich gemeinsam für eine Vorgehensweise, die den Präferenzen der meisten oder aller Individuen in der Gruppe zuwiderläuft. Gleichzeitig glaubt jede und jeder, dass die Entscheidung den meisten anderen gefällt oder sie übereinstimmen.

Verdeutlicht hat Harvey das mit einer Anekdote, die an einem heißen Tag im Juli 1974 in den USA beginnt. Er sitzt mit seiner Frau und deren Eltern auf der Veranda, es ist Sonntagnachmittag. Der Schwiegervater schlägt vor, zum Abendessen nach Abilene zu fahren. Seine Frau stimmt zu, die Schwiegermutter hält es für eine gute Idee und damit fährt die Familie im Sandstum und im damals sicher nicht klimatisierten Auto 53 Meilen zum Essen hin und 53 Meilen retour. Vier Stunden später, als alle erschöpft und überhitzt, enttäuscht über das schlechte Essen zu Hause ankommen, will Harvey den Abend retten und spricht von einem „tollen Ausflug“, woraufhin die Schwiegermutter gesteht, sie wäre von Anfang an lieber zuhause geblieben. Weil aber alle so begeistert waren, wäre sie mitgefahren. Der Schwiegervater räumt ein, er hätte den Vorschlag überhaupt nur deshalb gemacht, weil er dachte, der Familie wäre langweilig gewesen. Harvey und seine Frau wiederum wären nur mitgekommen, um die anderen glücklich zu machen. Wie konnte das passieren? Vier mündige Erwachsene machen freiwillig einen Ausflug, auf den keiner Lust hatte.

Es ist laut Harvey und dem so Abilene Paradoxon das Ergebnis von Konsens durch Schweigen. Mehrere Faktoren können zum Abilene-Paradoxon, die sich nicht nur in Familien, sondern vor allem in Teams und ganzen Organisationen zeigt, beitragen:

  • Mangelhafte Kommunikationserfahrungen innerhalb der Gruppe: wenn Teammitglieder nicht gelernt haben, sich auszudrücken oder es nicht gewohnt sich individuelle Vorlieben und Wünsche offen zu äußern, entsteht Schweigen, das keinem hilft
  • Harmonie-Orientierung: Ein starker Wunsch von Einzelpersonen und ganzen Teams nach Harmonie führt zu Vermeidung selbst kleinerer Aussprache; diese brauchen wir aber für das Lernen, wie mit Dissens umgegangen wird und damit Teams zu einer gesunden Konfliktkultur kommen. Unter Umständen kommt diese Harmonie-Orientierung aus der Angst vor Ablehnung, Gegenreaktion oder negative Konsequenzen, wenn eine Person ihre abweichende Meinung äußert.
  • Groupthink [Janis, I. I. (1972). Victims of groupthink. Boston: Houghton-Mifflin] Groupthink ist ein psychologisches Phänomen, bei dem der Wunsch nach Einstimmigkeit Vorrang hat. Obwohl der oder die einzelne eine andere Meinung hat, schließt er*sie sich der Gruppenmeinung an. Niemand möchte der oder diejenige sein, der Zweifel oder Kritik laut ausspricht. Die Gruppe ist wie ein eigenständig denkender Organismus, der auch Entscheidungen einstimmig trifft (obwohl Personen einzeln gefragt, anders entschieden hätten).

Für das Thema Widerstand im Change lernen wir schon in „Normalzeiten“ zu lernen, auf kritische Stimmen zu hören, Dissens als wichtiges Korrektiv zu sehen und Formen des Umgangs zu finden. Gegenteilige Positionen sind ein gesunder Teil des Miteinanders in Teams und Organisationen.  

Schnelles einschreiten bei Mikro-Aggressionen

Was Mikro-Aggressionen mit dem Firmenklima zu tun haben und warum Führungskräfte dagegen aktiv auftreten müssen

Eine Mitarbeiterin, die den neuen türkischen Kollegen Uğurcan konsequent falsch ausspricht. Der Chef, der den Buchhalterinnen lang und breit erklärt, wie sie die Verbuchung korrekt machen sollen. Der Vorarbeiter, der Witze über Behinderte reißt, seit die Fabrikshalle barrierefrei umgestaltet wird.

Mikroaggressionen sind kleine, subtile Formen von Diskriminierung. Sie können gegen Frauen, Menschen aus anderen Ländern oder Religionen, Personen mit Einschränkungen oder besonderen Merkmalen auftreten. Stets gleich ist ihnen die Machtdemonstration und die Ausgrenzung bestimmter Personen oder Personengruppen.

Da sie oftmals „en passant“ in halblauter Hörweite ausgesprochen werden oder im informellen Kreis, ist das Einschreiten gegen Aussagen oder Verhaltensweisen schwer. Ebenso ihr Gewöhnungseffekt, der dann in Aussagen mündet wie „So ist er oder sie halt…“, wenn Mikro-Aggressionen von immer gleichen Personen getätigt werden.

Diese Mikro-Aggressionen belasten nicht nur jene, die damit direkt konfrontiert sind; sie erleben damit (laufend), nicht Teil der Arbeitsgemeinschaft zu sein. Auch jene, die ihnen indirekt ausgesetzt sind, werden unterwandert: mit Bösartigkeit und Zynismus in Spaltungsabsicht. Darunter leiden Organisationsklima, Beziehungsarbeit und letztendlich auch Produktivität von Teams. 

Aus diesem Grund müssen Führungskräfte neben ihren vielfältigen Aufgaben auch noch Antidiskriminierungsarbeit leisten: das heißt, frühzeitig einschreiten, Klarstellen, dass ein Witz, eine Aussage, eine Bemerkung… keinen Platz in dieser Organisation haben. Grenzen setzen, wenn andere sie überschreiten – das geht beim ersten Mal einer wahrgenommenen Mikroaggression sogar weitaus besser, als wenn sich Gruppen an einen bestimmten Ton gewöhnt haben. Dann kann das Klima nämlich schon vergiftet sein.

Bildquelle: Chat GPT 4o (Jänner 2025)

Mehr Zuversicht, bitte!

Ein intensives 2024 wird zu einem zuversichtlichen 2025

Wir blicken zurück und nach vorne: Martina Friedl und ich feierten 2024 das fünfjährige Bestehen des Team Breite Gasse mit 50 gemeinsamen Veranstaltungen bisher und spannenden Projekte ohne „copy & paste“.

Was wir in diesem Jahr bemerkten: der Druck steigt. Vor allem auf Führungsverantwortliche. Daher braucht es noch mehr als bisher den Fokus auf die richtigen Dinge und auf viel, viel Kommunikation. Denn Verstehen und nicht zuletzt Akzeptanz stellen wir nur durch Austausch und Dialog her. Wie wir die Jahre 2024 und 2025 sehen, haben wir in einem Video für Sie zusammengefasst.

Damit Sie im neuen Jahr die richtigen Dinge mit Schwung und Elan schaffen, stehen wir zur Verfügung. Zum Austausch, als Sparring- und Beratungspartnerinnen. Und gestalten für Führungskräfte Räume, in denen sie sich austauschen und Kraft schöpfen können. Am 16. Jänner 2025 geht es weiter > Einladung zum Frühstücks-Salon hier. Und wir haben für 2025 ein Motto ausgegeben: Stärkere Zuversicht trotz widriger Umstände. Mehr dazu im ganzen Jahr 2025!

Sommer, Hitze, Austausch

Fünf Jahre Team Breite Gasse. 15 Salongespräche vorwiegend als digitale Frühstückseinladungen. 50 gemeinsame Termine von Martina Friedl und mir zu Diversität, Führung und Change. Das alles und mehr feierten wir bei 28 Grad am 25. Juni 2024. Ein Kommen und Gehen von Kund*innen, Partner*innen, früheren Mitarbeitenden und Freund*innen – es war wunderbar.

Ein paar Impressionen dazu finden Sie hier und in diesem Artikel: „Wenn Zufriedenheit an erster Stelle steht“

Vom Change Agent bis zum SuperUser

Was macht ein Change Agent eigentlich und was ein SuperUser? Zwei Begriffe aus dem Change Management, die für die Akzeptanz von Veränderungen sorgen können.

Vom wem holen Sie sich bei Veränderungen Informationen? Von der Organisationsspitze, aus dem Intranet oder gehen Sie der Gerüchtebörse nach? Alle, die mit Change Kommunikation zu tun haben, wissen, dass es zwei „Best-of“-Wege für Mitarbeitenden gibt: der*die direkt Vorgesetzte und den Flurfunk. Gerade letzteres dem Zufall zu überlassen, ist fahrlässig und kann ganz einfach auf eine organisierte, strukturierte Ebene gehoben werden.

Change-Agents sind ausgewählte Mitarbeiter*innen der Organisation, die vom Wandel direkt betroffen sind. Sie kommen aus unterschiedlichen Bereichen der Organisation, aus verschiedenen hierarchischen Lagern und bilden im Idealfall die Organisation repräsentativ ab. Ihre Aufgabe ist es, in einem Wandelvorhaben für einen begrenzten Zeitraum die Kommunikationsabteilung zu unterstützen, für Sorgen erste Ansprechpersonen zu sein und Fragen aufzunehmen, die die Belegschaft umtreiben. Sie haben in der eigenen Peergroup die größte Akzeptanz. Sie dürfen durchaus auch aktiv ihr eigenes Umfeld ansprechen und Sorgen – natürlich anonym – aufnehmen.

Gerade in der Repräsentativität der Organisation liegt die Stärke dieses Tools: Lehrlinge sprechen mit Lehrlingen, Mitarbeitende in Altersteilzeit mit jenen, die in der gleichen Phase sind. Eine örtliche Nähe kann ebenso hilfreich sein, daher sind Change Agents auch nicht nur in den Headquarters einzusetzen, sondern gerade auch in Filialen und weiteren Niederlassungen. Diese Personen haben für uns eine weitaus höhere Glaubwürdigkeit als jede andere Kommunikationsform, denn Menschen aus dem gleichen Kreis haben die gleichen Erfahrungen gemacht, haben die gleichen Sorgen oder Vorfreuden und verstehen die Bedürfnisse.

SuperUser werden in der digitalen Transformation häufig eingesetzt. Das sind Personen, die zusätzlich zu ihrer eigenen Aufgabe in Programmen oder im Handling neuer Technologien besonders geschult werden. Sie erhalten Trainings und eine Vorbereitung, um bei Fragen aus dem Team unterstützen zu können. Mit viel technologischem Wissen ausgestattet, helfen sie bei Unsicherheit, bei Anwendungsproblemen oder erklären einfach die neuen Schritte in ihrem Team, an ihrem Standort und zu ihren Kolleg*innen nochmals.

„Für die Realisierung der digitalen Pflegedokumentation in der NÖ Landesgesundheitsagentur wurden SuperUserInnen und KeyUserInnen geschult“, erklärt Sabine Lechner, Leiterin des Department Entwicklung, Strategie und Qualität Langzeitpflege (PBZ, PFZ) bei einem Sommersalon im impulsbüro am 25. Juni 2024. „Das sind Pflegekräfte, die sich freiwillig gemeldet haben, die technisch geschult wurden und Kolleg*innen helfen. Bei jeder Frage zur digitalen Pflegedokumentation versuchen zunächst die SuperUser*innen eine Antwort zu geben. Wissen sie nicht weiter, leiten sie die Fragen an die KeyUser*innen, Personen, die ebenso in der Langzeitpflege tätig sind. Erst wenn auch hier die Unklarheit weiter besteht, wird die Softwarefirma befragt.“

Und wie wird man Change Agent, SuperUser oder KeyUserin? Sabine Lechner berichtet, dass sie diese Frage ganz einfach löst: „Wir fragen einfach offen alle in einem Aufruf, wer möchte diese Funktion erfüllen. Und es ist ganz großartig, dass wir immer mehr Bewerbende haben, als wir brauchen.“

Bei uns ist das halt so…

Glaubenssätze in der Organisation

Möglicherweise haben Sie im Coaching von den eigenen inneren Glaubenssätzen gehört, die aus frühen Kindheitserfahrungen stammen: „Perfekt sein“ zu müssen oder für künftig brave Mädchen das Mantra „sei lieb“. Auch Organisationen haben diese Glaubenssätze. Oftmals durch Gründer und Entstehungsgeschichten manifestiert und durch Führungskräfte und langgediente Teammitglieder weitergetragen. Diese organisationalen Glaubenssätze geben die Wertehaltung, die intern gilt, weiter. Und das, ohne verschriftlich zu sein. Es ist eine Art kollektives Gedächtnis bzw. Gespür, das für jedes Teammitglied gilt, und wie ein ungeschriebenes Gesetzesbuch auch exekutiert wird.

Gerade neu hinzukommende Kolleg*innen merken sehr schnell „wie der Hase hier läuft“ und können die internen Kraft- bzw. Hinderungsfelder noch identifizieren, bevor sie ihnen in Fleisch und Blut übergehen. Der ehemalige Personalvorstand der Deutschen Telekom, Thomas Sattelberger, meinte einmal in einem Interview, Mitarbeiter*innen „hätten ein seismographisches Gespür dafür, was von Ihnen erwartet wird.“

Diese Grundannahmen – „so machen wir das eben bei uns“ – können stärken und die Identifikation mit dem Unternehmen festigen. Sie können aber auch überkommen sein, ein Vorwärtskommen bremsen und brauchen dann eine Änderung.

Ungeschriebene Glaubenssatz sichtbar machen

Eine Änderung von Glaubenssätzen ist möglich, braucht aber einen bewussten Anstoß. Idealerweise vom Top-Management; öfter passiert es bei einem Wechsel der Führungsspitze, da dies ein Anlas ist, sich als Organisation zu hinterfragen.

Der erste Schritt ist immer, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Also auf die Suche nach den wirksamen, aber unausgesprochenen „Trampelpfaden“ zu gehen. Idealerweise werden viele in diese Suche miteinbezogen, etwa die Führungskräfte im Rahmen einer Klausur. Alleine, zu zweit oder in Kleingruppen werden mögliche Glaubenssätze identifiziert und aufgeschrieben.

Diese erstmals verschriftlichten Sätze oder Annahmen bekommen in einem zweiten Schritt eine Bewertung durch die ganze Gruppe. Die Unternehmensberater von intrinsify schlagen dafür eine 7-stufige Skala von 1 – bei uns nicht stark ausgeprägt – bis 7 – bei uns sehr wirksam und ausgeprägt – vor. Wichtig ist, diesen Schritt noch nicht inhaltlich zu bewerten, ob der Glaubenssatz politisch oder ideologisch gut ist, dass kommt erst nach dieser zahlenmäßigen Einschätzung, die es auch zu begründen und mit Beispielen zu belegen gilt.

„Schweigejahre“: Raus der selbstgemachten Innovationsfalle

Ich hatte in einem Expert*innen-Umfeld mit dem Glaubenssatz zu tun, dass die ersten Jahre als „Lehrjahre“ gelten. Lehrjahre – egal in welcher Position und mit welchem Alter die Person ins Team kam – wurden dort neben dem Zuhören und Lernen vor allem als „Schweigejahre“ verstanden. Eine Person, die „gerade einmal drei Jahre“ dabei war, entschuldigte sich pausenlos für neue Ideen. Interessant, weil die Verweildauer von Vorständen bei knapp über sechs Jahren liegt; das würde heißen, in der ersten Halbzeit wären neuen Vorschläge ungewünscht? Durch das Aufdecken dieses Glaubenssatzes – „neue Teammitglieder schweigt und lernt“ – konnte sich das Unternehmen mit der selbst verursachten Innovationslosigkeit befassen.

Das Aufdecken und die zahlenmäßige Einschätzung von 1 bis 7 hilft in der weiteren Überlegung: Wollen wir den Glaubenssatz beibehalten oder hindert er uns und soll daher geändert werden?

Wenn Sie noch mehr zum Thema Glaubenssätze in Organisationen lesen wollen, empfehlen ich diese umfangreiche Arbeit dazu: Jakob, Ankie Sophie: Organisationale Glaubenssätze. Eine systemische Analyse. In: Müller-Christ, Georg (Hrsg.) E-Schriftenreihe Nachhaltiges Management 2019 | Nr. 1.

Von D&I zu DEIB – neue Diversitäts-Sichtweisen

Diversity & Inclusion reichen nicht aus, um allen Mitarbeitenden das gute Gefühl zu geben, mit allen Stärken und Besonderheiten bei ihrem Arbeitgeber anzukommen. So beschrieb Sara Riedl, Expertin für Peoplemanagement aus dem Silicon Valley, am 7. September 2023 beim 14. Frühstücks-Salon von Gerhild Deutinger und Martina Friedl, die Entwicklung des Themas. Die Erweiterung „DEIB“ umfasst mehr: das E steht für Equity, Gerechtigkeit bzw. Fairness, und „B“ als Abkürzung von Belonging bedeutet Zugehörigkeit; D+I bleiben. Das Gefühl – auch als unterrepräsentierte Gruppe – dazuzugehören, Teil der größeren Gemeinschaft zu sein, führt zu einem Wandel Richtung psychologischer Sicherheit. Und diese ermöglicht es jedem und jeder, sich optimal einzubringen.

Worin liegt der Vorteil dieses erweiterten sprachlichen Diversitäts-Begriffs? Er geht aus unserer Sicht weg von den Anstrengungen jener Stellen, die sich seit vielen Jahren um Geschlechtergerechtigkeit, gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit oder Anerkennung von Menschen mit Beeinträchtigung kümmern. Empowerment von Frauen hat beispielsweise oft noch den Touch, dass Frauen (von Expert*innen) ermächtig werden müssen. Zugehörigkeit nimmt den Druck weg, dass einzelne Stellen oder Personen in der Organisation für die Inklusion verantwortlich sind – und nimmt gleichzeitig alle in die Pflicht. Für ein integratives Arbeitsumfeld, in dem alle ihre Stärken und Besonderheiten einbringen können, sind alle verantwortlich. Unabhängig von Hierarchie, Dauer der Unternehmens-Zugehörigkeit oder Stellenprofil. Natürlich braucht es weiterhin Guidelines und integrative Einstellungspolitik – doch mit dem „E“ und vor allem dem „B“ wird das Thema Arbeitsplatz und Organisationsumfeld für alle zu einem Thema für alle.

Das neue Normal in den USA: Neuro-Diversität im Tech-Umfeld

Sara Riedl, die beruflich der Technologiebranche nahesteht, berichtete weiters über den offenen Zugang in den USA mit den Themen ADHS, Asperger oder anderen Autismus-Formen. Unternehmen würden dies – im Gegensatz zu Europa – nicht als „Behinderung“, sondern als Chance sehen. Sie bieten Mitarbeitenden an, die für sie individuell optimale Arbeitsumgebung in Bezug auf Lärm, Licht oder Auszeiten während des Tages zu schaffen. Das führte während unserer Veranstaltung zu diesem wunderbaren Chat-Eintrag, für den ich mich ganz besonders bedanken möchte: „Ganz lieben Dank. Der Salon hat mich vor allem bestärkt, das Thema wieder zu fokussieren… und die Superkräfte von Menschen zu sehen.“

Mehr über Sara Riedl erfahren Sie auf ihrer Website.

Killt KI die IK?

Hand aufs Herz: Haben Sie in den vergangenen Monaten nicht auch schon ChatGPT oder ein anderes Programm etwa für die Erstellung von Bildern genutzt? Und wie war es? Meine Erfahrungen bei klassischen Textsorten wie einem Beschwerdebrief nach einem Flugausfall oder einem LinkedIn-Posting waren geradezu wunderbar: zeitsparend, sprachlich einwandfrei, präzise.

Heißt das nun, dass KI-Software die Texte formulieren kann, die interne Kommunikation übernimmt? Sie könnte ähnliche und passende Beiträge für verschiedene Mitarbeitermedien verfassen. Daraus Interview-Fragen und Antworten für einen Podcast erzeugen oder das Vorstandsbriefing für die kommende Town-hall-Veranstaltung schreiben. Denn Inhalte gibt es in den meisten Organisationen mehr als genug – die Aufbereitung wäre mit KI-Systemen deutlich schneller. Und die Gatekeeper-Funktion würde doch nicht wegfallen, denn Texte müssten weiterhin gelesen und freigegeben werden.

Aus meiner Sicht erlaubt die KI der internen Kommunikationsstelle eine Re-Positionierung. Die Zeitersparnis könnte sie bewusst nutzen. Etwa, um an neuen Konzepten zu arbeiten, die oft ewig in Schubladen stecken, wie echtes Employer Branding. Endlich Zeit, mit dem Management Board über Organisationskultur nachzudenken und neue Schritte zu wagen. Endlich das alte Intranet über Bord werfen und Formate testen, die es noch nie gab. Oder die Fehlerkultur des Unternehmens endlich verbessern… Themen gibt es für die IK genug. Mein Appell an alle IK-Verantwortlichen: Traut Euch, die KI zu nutzen, um Eurer Abteilung oder Stabsstelle den Wert zu geben, die sie haben sollte: strategisch, steuern und vorausblickend.

Übrigens: Ich habe mir auch einen Artikel zu diesem Thema „KI und IK“ vorschlagen lassen. Er hat mir aber nicht gefallen; zu allgemein, zu zaghaft. Daher mussten Sie meine Meinung zum Thema lesen.