Archiv der Kategorie: Strategie & Organisation

Was ändert sich im „mixed mode“?

Hybrides Arbeiten ändert zuerst die Führung

Isabel leitet ein Team mit zwölf Personen. Zwei davon sind erst in der Pandemiezeit zum Team gestoßen und haben ein Online-Onboarding hinter sich: sie kennen nur wenige der Teammitglieder face-to-face. Drei Personen des Teams sind oder gehen demnächst in Altersteilzeit und möchten sooft wie möglich am Firmenstandort sein, weil sie sich selbst als „online-müde“ bezeichnen. Von den sieben anderen wollen zwei am liebsten 100% im Home-office arbeiten.

Um in einen guten „mixed mode“ zu kommen, bei dem ein Teil der Belegschaft am Standort der Organisation arbeitet und ein Teil bei Kunden oder zu Hause, müssen mehrere Fragen beantwortet werden: Wer arbeitet wann? Wie arbeiten die Teammitglieder miteinander? Zu welchen Zeiten überschneiden sich örtliche und zeitliche Präsenzen, um etwa Meetings anzusetzen? Für welche Arbeiten braucht es Austausch und wie kann dieser formell und informell hergestellt werden?

Unsere Empfehlung: Gehen Sie einen Schritt weiter, als nur die derzeit vordringlichen Zeitfragen zu stellen. Damit das neue Arbeiten in diesem mixed mode funktioniert, sollte Zusammenarbeit komplett neu gedacht und neu definiert werden. Betriebsvereinbarungen für Home-office reichen nicht aus. Sie sind ein guter neuer rechtlicher Rahmen, aber bringen Teams und Organisationen nicht in ein neues Arbeiten.

So kommen Sie ins neue Arbeiten

Führung, die den Change ins neue Arbeiten ernst nimmt, fragt nach zeitlich synchronen und asynchronen Aufgabe im Team. Sie klärt die Bedeutung des standortgebundenen Arbeitens und des Nichtstandortbundenen. Aus dieser Matrix definiert sie individuelle, bilaterale und teambezogene Aufgaben, die in die Zukunft weisen und streicht jene, die aus der Vergangenheit oder der Krisenbewältigung „übrig“ geblieben sind. Idealerweise passiert ein solcher Zukunftsprozess mit dem eigenen Team oder der ganzen Organisation. Daraus können Prämissen für das neue Arbeiten entstehen, die wiederum Anlehnung an agile Werte haben können. Diese stellen gegenüber, welcher Wert von Bedeutung ist und Vorrang gegenüber anderen hat. Voraussetzung dafür ist eine Führungsperson, die das neue Arbeiten als Change begreift und Veränderung zulässt. So wie Isabel, die zuerst die Beziehungen im Team vertieft hat, um das (wieder) Kennenlernen nach langer Absenz zu ermöglichen. Um im nächsten Schritt eine Neuausrichtung des Teams und seiner Aufgaben zu planen.

 

 

Aus den Augen verloren?

So gehen Sie gegen den „Distance Bias“ vor.

In den USA gibt es eine Inschrift in den Seitenspiegeln von Autos „Objects in the mirror are closer than they appear“, also andere Fahrzeige können näher sein, als es den Anschein hat. Nähe und Distanz ist auch ein großes Thema, seit das Home-Office vor zwei Jahren zum neuen Normal geworden ist: Wie nahe sind wir Teammitgliedern, Kolleg*innen, den Führungsverantwortlichen bzw. wie distanziert ist das gegenseitige Verhältnis geworden, wenn wir uns nur „in Kacheln“ oder überhaupt nur als dunklen Kreis mit namentlicher Abkürzung erleben?

Je näher uns – räumlich und zeitlich – Dinge sind, desto wichtiger empfinden wir sie, das besagen der so genannte Distance-Bias und Gegenwarts-Bias. Räumliche Nähe erleben wir durch physisches Zusammenkommen, wenn alle oder viele nun wieder im Büro am Standort werken. Digitale Abstimmungen und Meetings bauen vielfach Distanz auf. Wie wird das dann im „mixed mode“ sein, wenn ein Teil der Belegschaft an den Standort zurückkehrt und ein Teil im Home-Office verbleibt? Oder wenn einige mehr Home-Office und andere mehr Büro-Tage für sich wählen?

Führungskräfte sind hier besonders gefordert, nicht in den Distance Bias zu fallen, der Menschen und ihre Leistungen überbewertet, nur weil sie räumlich näher und „greifbarer“ sind. Überlegen Sie als Führungskraft genau, wenn es um Projektzuteilungen, um Aussprachen, um Aufmerksamkeit – und auch um Beförderung oder positive Leistungsbeurteilung – geht, ob Sie Teammitglieder, die sie im Büro erleben oder zeitlich öfter kontaktieren, (unbewusst) bevorzugen. In den Hintergrund treten Teammitglieder, die alleine und selbständig werken können oder solche, die das Home-Office brauchen, weil sie den Pflege- oder Obsorgebedarf nicht anders lösen könnten. Sie und ihre Leistungen werden nahezu „unsichtbar“. Der wunderbare Ausspruch „Nur die Leistung zählt“ gilt nämlich im mixed mode nicht unbedingt, selbst, wenn Führungspersonen sich das einreden.

Mehr über den Distance Bias und einige Ideen, wie er in Meetings reduziert werden kann lesen Sie >> hier.

ZOOM-freie Freitage und oder doch 4-Tages-Woche

Good Practices für 2022.

Schon im März 2021 hat die amerikanische Investmentbank Citigroup Stopp gerufen: Zuviele Online-Meetings, dauernde Erreichbarkeit, fehlende Work-Life-Balance im home-office. Die Freitage sind seither „Zoom-free“. Der Gedanke, der dahintersteckt: die allgemein um sich greifende Pandemie-Müdigkeit zu reduzieren.

Gleichzeitig hat die CEO der Citigroup den 28. Mai zum unternehmensfreien Tag erklärt. Er wurde zum „Citi Reset Day“ erklärt. Reset bedeutet, dass die „Grundstellung“ wieder erreicht werden soll. Ein Zurücksetzen auf die Zeit vor der Pandemie.

Die meisten Unternehmen überlegen gerade, wie die Zeit-Aufteilung zwischen Arbeit zu Hause und Arbeit vor Ort funktionieren wird: einige wie SAP ermöglichen 100% Entscheidungsfreiheit, Porsche setze auf bis zu zwölf Tage pro Jahr. Spannender sind Ansätze für die 4-Tages-Woche, wie sie beispielsweise von der österreichischen Kreativ-Agentur von Béatrice und Martin Verdino seit zwei Jahren praktiziert wird. Seit Mai 2019 arbeiten die Mitarbeiter*innen von Montag bis Donnerstag neun Stunden pro Tag, dafür ist der Freitag frei. Über ihre Erfahrungen berichten die beiden -> hier.

 

Machen Sie nicht den Apple-Google-Fehler

Wir schreiben April 2021. Apple und Google geben ihre Rückkehrpläne aus dem Home-Office für die Belegschaft geltend ab 1. Juli 2021 bekannt. In einem internen Google-Memo an die amerikanischen Mitarbeiter*innen etwa wurde verlautbart, dass sie mindestens drei Tage pro Woche in die Büro zurück zu kehren haben und alle, die nach dem 1. September mehr als 14 Tage pro Jahr remote arbeiten wollen, einen Antrag stellen müssten. Ähnlich lautete die Apple-Vorgabe an die Mitarbeitenden, die an Montagen, Dienstagen und Donnerstagen ab Herbst in die Büros zurück kommen sollten – was mit einer Kündigungswelle quittiert wurde. (Mehr hier.)

Nach einem Aufschrei unter der Belegschaft haben beide Firmen zurückgerudert und neue Vereinbarungen geschaffen.
(Mehr in diesem CNN-Bericht)

Wie kam es zu diesem Vorstoß und seiner Rücknahme? Bei den Unternehmen waren alle Führungskräfte (also mehrere tausend Menschen) an der Entwicklung der Rückkehr-Regelungen beteiligt. Ihnen ist der Wunsch der Angestellten nach flexibler Arbeitszeit und -form, nach remote work, nicht aufgefallen. In einem offenen Brief der Mitarbeitenden heißt es: „Over the last year we often felt not just unheard, but at times actively ignored…“ Als gäbe es eine Trennung zwischen dem Führungsteam und den Mitarbeiter*innen, eine gläserne Decke der Nicht-Kommunikation und des Nicht-Verstandenwerdens.

Die Verhaltensökonomie hat eine Erklärung dafür und nennt das den Ankereffekt. Menschen – in unserem Fall Führungskräfte – haben sich bei ihrer Entscheidung stark von den unmittelbaren Umgebungen und eigenen Wünschen leiten und lenken lassen, ohne das zu bemerken. Sie haben eigene Annahmen als Basis weiterer Überlegungen – als „Anker“ – genutzt. An ihnen orientierten sie sich für die Ausarbeitung der Pläne und für Entscheidungen. Im Beispiel Apple und Google kam es zu einer systematischen Verzerrung der Sichtweise in Richtung des Ankers. Deshalb: Raus aus dem eigenen (Führungs-)Kreis und zuhören. Wirklich zuhören! Mehr dazu im Artikel „Angst vor echter Transformation?“ 

 

Wie bewegt man eine träge Masse?

Vor kurzem in einem Veränderungstraining: eine junge Change Managerin verzweifelte. Sie habe schon alles versucht, aber die Veränderung in ihrer veränderungsresistenten Organisation funktioniere einfach nicht. Was also tun? Für alle, denen es so geht, hier ein paar Gedankenanstöße:

  1. Durch Beharrlichkeit und Wiederholung: Einmal gesagt ist noch lange nicht gehört und einmal gehört ist noch lange nicht verstanden und wo weiter… Sie kennen das Zitat. Dennoch: bei Veränderungen schrecken Verantwortliche gerne vor Wiederholungen zurück, vor allem, wenn auf die ersten Kommunikationsschritte keine Bravo-Rufe ertönen. Sollte hingegen ein Hinterfragen und erster Widerstand auftreten, schon ist der Change abgesagt. Wer Veränderung ernst meint, muss viel, wirklich viel kommunizieren. Immer und immer wieder. Muss den Dialog suchen und manch eine Beharrlichkeit an den Tag legen um zu beweisen, dass es dieses Mal ernst ist mit der Veränderung.
  2. Durch Vorbildwirkung: Jüngst erzählte eine liebe Freundin und Kundin, dass in ihrer Organisation der Abbau von Überstunden und Urlaubstagen während der Corona-Pandemie so wunderbar reibungsfrei funktioniert hatte. Gerade dieser Punkt ließ mich aufhorchen, hatten wir doch gerade das als Konfliktthema in manch einer Organisation in den vergangenen Monaten vernommen. Was hatte die Organisation meiner Freundin anders gemacht? Nun, die oberste Verantwortliche ist mit eigenem Beispiel vorangegangen und thematisierte es entsprechend. In den Meetings mit der Belegschaft berichtete sie, wie wichtig es gerade jetzt ist, die eigenen Batterien aufzuladen, Selbstfürsorge walten zu lassen und nicht aus falsch verstandener Loyalität zurück zu stecken. Ihre Berichte vom Abschalten vor und nach dem Urlaub machte Schule und viele folgten dem Beispiel.
  3. Durch Ausprobieren: Nicht jede Veränderung ist greifbar, spürbar oder erlebbar. Das „Drüber-Reden“ macht es auch nicht besser, sondern schürt Ängste. Manchmal hilft es, das Unbekannte einfach zu tun und zu probieren. Experiment statt Endlosdiskussion. Wer schwimmen können möchte, muss sich ins Wasser trauen. Da hilft alles Trockentraining nichts. Mit der Gefahr, dass es am Anfang nass, kalt, und vielleicht unangenehm ist, wie im Change. Und nach den ersten paar Versuchen haben die Betroffenen so viel erlebt, dass auf neuer Basis bessere Diskussionen möglich sind.

Eine vierte Möglichkeit, nämlich durch das Sammeln von Fragen und echtem Zuhören lesen Sie im Artikel
„Angst vor echter Transformation?“ 

Am Rad der Vereinbarkeit drehen

Vereinbarkeit ist kein neues Thema. Gleichberechtigung auch nicht. Fünf Jahre vor der Pandemie, 2015, haben sich 193 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen zusammengeschlossen, um 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung festzulegen. Ziel 5 lautete, sich auf die Gleichstellung der Geschlechter bis 2030 zu konzentrieren. Mit der Pandemie ist vieles in Vergessenheit geraten. Wir müssen und sollen das Rad nicht neu erfinden und die Diskussion weiter hinauszögern; denn Organisationen wissen schon sehr lange sehr gut, an welchen welchen Hebeln sie drücken und welche Stellschrauben sie drehen können. Zur Sicherheit haben wir nochmals die Optionen, die vor Corona galten und die nachher genauso wirksam sind, im obigen Bild für Sie zusammengefasst.

Ein aus unserer Sicht zentraler Schritt für Vereinbarkeit und Gleichberechtigung ist es, die Themen nicht nur unter dem Fokus Frauenförderung zu sehen, sondern Männer wie Frauen zu adressieren. Es sind auch keine Themen, die „nur“ Eltern kleiner oder schulpflichtiger Kinder betreffen. Sie sind gesellschaftliche Themen, die die Pflege von Angehörigen, Freunden – und auch die Selbstfürsorge umfassen.

Dass so was nicht von „heute auf morgen“ geht, darf und soll keine Ausrede sein, nicht endlich damit zu starten. Jetzt wäre die passende Zeit! Und damit könnten wir auch gleich das Thema Diversität wirklich behandeln und uns unseren „Biases“, den unbewussten Vorurteilen, die in jedem von uns schlummern, stellen.

Zwei Tipps dazu:

  • Wer in verschiedene Biases und die Bewältigung ganz unterschiedlicher Branchen eintauchen will – vom Automobilsektor bis zur Katholischen Kirche – dem sei das im Jänner 2020 erschienene Buch ans Herz gelegt: Domasch, M., Ladwig, D. H., & Weber, F. C. (2020). Vorurteile im Arbeitsleben. Hier geht es zum Buch.
  • Mehr zum Thema Unconscious Bias hören Sie HIER im Podcast von Gerhild Deutinger im Interview mit Martina A. Friedl.
    -> reinhören 

Vereinbarkeit und New Work gemeinsam denken

Ein Nachbericht zu unserem Frühstücks-Salon vom 4. März 2021

Eine dicht geballte Ladung an Erfahrungen, an Experimenten und Probeballons ließen die Teilnehmerinnen unseres Frühstücks-Salons „Vereinbarkeit post Corona“ am 4. März 2021 steigen. Die neuen Erfahrungen mit dem virtuellen Führen, dem Führen auf Distanz, der zunehmenden Individualisierung und steigenden Anforderung zur Flexibilisierung wurden geteilt und Unternehmen wie Wissenschaftsorganisationen staunten über die Fülle an Angeboten, die während der Pandemie entwickelt wurde: Online-Angebote, um psychische Belastungen zu bewältigen, Trainings für das neue Führen, online Teambuildings zur Konfliktbereinigung, flexibelste Betreuungsangebote an einem Unistandort für Kinder ab einem Alter von 8 Wochen bis 12 Jahre, Freistellungen und Sonderzeiten für Mütter wie Väter, Nudging für Männer, um Carearbeit während der Pandemie zu übernehmen, Corona-Boni …. Martina Friedl und ich kamen während der 75 Minuten dauernden Veranstaltung aus dem Staunen über den Mut und Experimentierfreude von PE und OE kaum heraus.

Bis März 2021 stand in den meisten Organisationen die Stabilisierung von Mitarbeitenden und Führungskräften und die rasche Unterstützung bei Vereinbarkeitsproblemen im Fokus. Das könnte sich nun ändern: die Zeit der Reflexion und Zukunftsplanung ist gekommen. Welche der Ideen sind gekommen, um zu bleiben? Welche dienten rein der Krisenbewältigung und werden wieder verschwinden?

Was wir erkennen und als These mit in diesem Frühstücks-Salon gebracht haben: Vereinbarkeit und New Work müssen gemeinsam gedacht und geplant werden. Das könnte für beide Themen der Durchbruch sein! Eine Verknüpfung beider Aspekte hilft, um Organisationen ein Stück weit zu besseren Arbeits- und Lebenswelten zu machen.

Erste Verknüpfungen, die in unserem Frühstücks-Salon angeschnitten wurden:

  • „Leistung“ neu definieren und die Bonussysteme darauf ausrichten. Dort, wo Leistung immer noch an Anwesenheit oder an Verkaufszahlen gemessen wird, könnte ein neuer Leistungsbegriff einen Kulturwandel einläuten. Wie wird Leistung für jene definiert, die nicht im 40-Stunden-Rad werken, die egal welchen Geschlechts temporär oder dauerhaft Carepflichten erfüllen? Wie sieht die Generation Z Leistung? Können heute schon Vereinbarkeitsangebote entwickelt werden, um für Junge attraktiv(er) zu werden möglich?
  • Teilgruppen mit gleichen Bedürfnissen besser adressieren. In der Pandemie erkannten Organisationen, dass sie Eltern mit Kleinkindern mit speziellen Themen extra adressieren und ansprechen können – ebenso wie Singles, die im home-office u.U. vereinsamen. Die einen wollten Rechtsberatung, die anderen Beziehungspflege. Nicht die hierarchische Ebene, nicht das fachliche Team, sondern die Bedürfnislagen zählen im „neuen Normal“. Aus der Diversitätsforschung und Maßnahmen v.a. amerikanischer Konzerne, verschiedene ethnische Zugehörigkeiten anzusprechen, können wir bei der gezielten Teilgruppen-Ansprache lernen.
  • Mitarbeitende ganzheitlich wahrnehmen. Eine Teilnehmerin im Frühstücks-Salon berichtete, dass ihre Organisation ab sofort Familiencoachings anbietet. Life spielt ins Work hinein und umgekehrt – hier werden wir sicher noch neue Formate finden. Mit der kleinen Warnung unsererseits: Als Copingstrategie ist eine klare Trennung zwischen Arbeit und Familie gerade für Jungfamilien sinnvoll.
  • Adaption im Recruiting. In der Pandemie stellte sich das Thema Zeit komplett neu. Wann wollen wir arbeiten und wieviel? Waren bislang Teilzeit-Angebote eher rar – vor allem auch beim Thema Führen in Teilzeit – könnten sich nun neue Angebotsfenster öffnen. Eine Teilnehmerin unserer Diskussion hat für ihre Organisation entschieden, Funktionen, die bislang nur als Ganztags-Jobs gedacht und angeboten wurden, als Teilzeitstellen anzubieten. Auch, wenn sie damit mehr Mitarbeitende führt –  für die Generation Z (oder die noch später folgenden „Generation Greta“) wird sie attraktiv sein.
  • Empowerment Angebote für alle. Wenn es zu einer echten Gleichstellung von Mann und Frau kommen soll, dann braucht es Empowerment für beide Geschlechter. Es reicht nicht nur, das Angebot für Mütter auch Vätern zugänglich zu machen. Es braucht ein neu erdachtes Miteinander, damit Väter ihre Betreuungspflicht in gleicher Weise leisten und leben können. Jetzt könnte ein passender Zeitpunkt sein, um attraktivere Formen von Auszeiten einzuführen, neue Meetingkulturen zu entwickeln und ein Miteinander unter Vereinbarkeitsgesichtspunkten zu leben.

Ein Link aus der Frühstückerinnen-Runde möchten wir Ihnen gerne weiterreichen:
„Der Weg zur familienorientierten Hochschule – Lessons Learnt aus der Corona-Pandemie“.

Diese CHE-Publikation erschien am 24. Februar 2021. Sie beinhaltet Interviews mit acht Familienverantwortlichen an sechs deutschen sowie einer österreichischen Hochschule im Zeitraum Juni bis September 2020.

Der nächste Frühstücks-Salon findet am 23. Juni 2021 zum Thema „Never Normal?“ statt. Voranmeldungen dazu sind ab sofort unter assistenz@impulsbuero.at möglich.

 

Unmögliches schaffen?

So geht Kulturwandel

Das Pandemie-Jahr hat gezeigt: Bislang unmöglich Gedachtes ist machbar. In kürzester Zeit ist Digitalisierung im Bildungssektor und in den Büros umgesetzt worden – mit wachsender Akzeptanz. Aber auch viel Kommunikationsbedarf.

Mit diesem Schwung an Möglichkeiten können Sie jetzt Ihre Veränderungen starten. Denn es ist mehr machbar, als wir gemeinhin annehmen. Doch: Starten Sie nicht planlos in die guten Ideen des „Next Normal“. Für einen tiefgreifenden Kulturwandel sollten Sie drei W-Aspekte beachten:

  • WARUM? Klären Sie, mit der Belegschaft, warum Sie tun, was Sie tun. Was ist der Kern Ihres Daseins? Wie macht Ihre Organisation die Welt besser – oder zumindest Ihr Umfeld? Auf Neudeutsch werden diese Gedanken unter dem Begriff „Purpose“ zusammengefasst. Profitmaximierung oder die Zufriedenheit von Share- und Stakeholdern ist nicht mehr genug. Es geht um den tiefgreifenden Sinn, den Mehrwert, den die Organisation für die Gesellschaft bringt.
  • WOHIN? Als nächstes braucht es einen „Nordstern“, eine Orientierung, wohin die Organisation ab 2021 steuert. Dieser hilft allen, eine gemeinsame Ausrichtung zu finden. Diesen „Nordstern“ müssen wirklich alle Mitarbeiter*innen kennen und (am Organisationsfirmament) finden können, sprich – sie müssen wissen, was diese Neuausrichtung mit ihrem ganz eigenen Arbeitsfeld zu tun hat und was sich ändert.
  • WIE? Durch die Pandemie und die erlebte Distanz ist der Wunsch nach Beziehung und Zusammengehörigkeit gewachsen. Nehmen Sie also Ihre Belegschaft mit – in der Planung, im Suchen und Bestimmen des Nordsterns und in der Reise ins Neue. Gemeinsam ins nächste Normal hilft, die Akzeptanz eines Wandels zu erhöhen.

Autonom durch den Nebel

Die Art, wie Führungskräfte ihre Teams durch den Nebel lotsen, sind verschieden: Kleine, reflektierbare Schritte oder volle Autonomie für die Mitarbeitenden – beides kann notwendig sein.

Nicht wenige Führungskräfte haben im neuen Normal das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Nicht andauernd, aber immer mal wieder. Einige reagieren mit Micromanagement und laufender Zeit- und Leistungsüberprüfung ihre Mitarbeitenden. Das führt auf der anderen Seite zu Frustration und Resignation – und in manchen Fällen zu Reaktanz. Als Reaktanz beschreibt die Psychologie eine Abwehrreaktion, wenn der gefühlte Entscheidungsraum eingeengt wird oder sogar wegfällt. Wenn also bisher autonome Entscheidungen des einzelnen Mitarbeitenden beispielsweise wie er den Arbeitstag gestaltet, welche Aufgaben er wie priorisiert nun im Home Office eingeschränkt werden, dann kann dies zu sehr heftigen Reaktionen führen. Denn nachvollziehbar ist: „Nimmt mir jemand meine bisherigen Freiheiten weg, dann hole ich sie mir zurück!“ Durch „Dienst nach Vorschrift“, durch stumpfes Nachfragen oder Blödstellen, durch bewusstes Fehlermachen oder „Delegieren nach oben“ – die Varianten reaktanten Verhaltens sind so groß wie die Bandbreite menschlicher Phantasien.

Die gute Nachricht für Führung: Autonomie zulassen – gerade in Zeiten der Unsicherheit – hilft. Einem Teil des Teams gibt dieses Gefühl anhaltender Freiheit und Freiräume Sicherheit. Diese Mitarbeiter*innen, die mit Flexibilität umgehen können, gewinnen so Boden unter den Füßen, weil ihre Autonomie nicht in Frage gestellt wird. Je mehr Freiheit umso mehr Sicherheit. Und vor allem umso mehr Leistung. Interessanterweise zeigen Studien, dass Menschen, die viel Kontrolle über ihre Arbeitsgestaltung haben, mehr arbeiten. „Die Zunahme der Arbeitszeit war am größten, wenn die Arbeitnehmer*innen volle Autonomie hatten“, so Heejung Chung und Yvonne Lott zu einer Datenanalyse in Deutschland. Ihre Erkenntnisse werden heute unter dem Begriff „Paradox der Autonomie“ zusammengefasst. Was auf der umkehrten Seite eine Burn-Out-Gefahr drohen lässt. Der Spagat zwischen Autonomiegewährung und gute Beobachtung aller Teammitglieder ist für Führung noch enger geworden.

(Volle) Autonomie ist allerdings nur für jene Mitarbeitenden geeignet, die mit Flexibilität umgehen können und in der Lage sind, ihren Tag und ihre Arbeit zu strukturieren. Manche brauchen die „Politik der kleinen Schritte“, um Sicherheit zu gewinnen. Das Besprechen des nächsten Tages oder der nächsten Aufgaben; mit der Klarheit, welche Option welche Konsequenz mit sich bringt – und der Sicherheit, dass die Führungskraft hinter einem/r steht.

Verwendete Literatur

Chung, H. (2016). Flexible working is making us work longer. WWW: http://scitechconnect.elsevier.com/flexible-working-work-longer/ (2020-11-29)
Stangl, W. (2020). Stichwort: ‚Reaktanz‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/1844/reaktanz/ (2020-11-29)

 

In der Vereinbarkeitsfalle

Vom Fluch und Segen der Zeitflexibilität, von überkommenden Kulturmustern und wie HR gegensteuert

Der vierte Frühstücks-Salon des Team Breite Gasse von Martina Friedl und Gerhild Deutinger hatte aufgrund des zweiten Lockdown an Brisanz gewonnen: Wie gehen Organisationen mit dem Thema Vereinbarkeit um? Wie erleben Führungskräfte den Spagat von Work-Life-Family? Und wie können – im Sinne der Gesundheit der Mitarbeitenden – Konfliktpotenziale wie dauernde Erreichbarkeit oder Arbeit an Randzeiten nach Home-Schooling oder wenn Bandbreiten wieder offen sind aufgelöst werden?

Das Thema Vereinbarkeit selbst ist ja kein Neues. Schon vor der Pandemie mussten sich Singles, Paare, Familien und Organisationen die Frage stellen, wie sie die zur Verfügung stehende Zeit optimal aufteilen. Optimal so, dass weder die Arbeit noch die Familie noch das eigene Selbst – Stichwort Selbstfürsorge – zu kurz kamen. Die Balance war ohne Corona für manche schon schwer zu halten. Die beiden Psychologinnen (Masterstudierende an der Universität Wien) Magdalena Mayer und Maria Lena Mayer haben im Spätherbst 2019 potenzielle Copingstrategien von Zweiverdiener-Paaren untersucht (hier geht es zu den Folien). Ihre Ergebnisse zeigten, dass im „alten Normal“ eine Trennung zwischen Arbeit und Familie hilft, den Work-Family-Konflikt möglichst gering zu halten. Eine Trennung, die es für viele im Home Office seit März 2020 nicht mehr gab oder gibt.

Die beiden Wissenschafterinnen untersuchten weiters, welche Copingstrategie unter Stress welche Wirkung hat: eine hohe Familienorientierung („family first“) verschlimmert den Arbeit-Familien-Konflikt. Flexibilität als Strategie hat unter Stress einen verbessernden Effekt auf den Arbeit-Familien-Konflikt.

Vor diesem Hintergrund diskutieren wir mit über zwanzig Teilnehmer*innen in unserem Frühstücks-Salon, welche Wirkung Flexibilität in Zeiten des Lockdowns und danach haben kann. Die meisten Firmenvertreter*innen konnten über eine Zeitflexibilisierung während des ersten Lockdowns berichten: vom Abschaffen der Kernarbeitszeit zu vollkommenden offenen Zeitstrukturen bis hin zu Freistellungen für alle, die Kinder unter 14 Jahren betreuen mussten. Frauen haben zunächst diese Möglichkeiten mehr genutzt als Männer, was von einer Teilnehmerin als klassisches Rollenverteilungsmuster interpretiert wurde: „Männer arbeiten, Frauen arbeiten und betreuen“. Die Corona-Panels der Universität Wien zeigen ebenso einen Überhang der Care-Arbeit bei Frauen wie die Studien, die Martina Friedl beim Frühstücks-Salon zusammengefasst hat (-> hier zum Download). Kommen wir also in eine Re-Traditionalisierung?

Die Gefahr, dass das Instrument Freistellung Frauen nicht stärke und stütze, sind gegeben. Vor allem Frauen in Führungspositionen und Wissenschafterinnen fallen, wenn sie zeitliche Caring-Optionen ziehen, aus der internen und externen Wahrnehmung. Zeitflexibilitätwiederum führe bei sehr engagierten Mitarbeitenden dazu, dass die Überarbeitung zunimmt. Die ersten Beobachtungen der Zunahme von einer Burn-Out-Gefährungen liegen vor  (lesen Sie dazu auch den Artikel „Autonom durch den Nebel?“).

Beim Gegensteuern durch die Organisationen zeigen sich noch keine einheitlichen Muster. Denn jeder Maßnahme liegt eine unmittelbare Gefahr inne. In Deutschland setzt man seit längerem – wie bei unserer Diskussion – auf noch mehr Zeitflexibilität. Gleichzeitig neigen Organisationen dazu, Frauen die Zeithoheit zur Erfüllung ihrer Caring-Aufgaben zu übertragen und nicht für neue Projekte oder Herausforderungen. Die Forscherinnen Heejung Chung und Yvonne Lott der Universität Kent beobachten in der Erhöhung der Flexibilität bei der Arbeit eine neue / alte Durchsetzung traditioneller Geschlechterrollen und eine Erhöhung der Geschlechterungleichheit.

In der Diskussion unseres Frühstücks-Salons wurde weiters die Bedeutung der unmittelbaren Führungskraft herausgestrichen; sie kann und soll beobachtend und steuernd auf einzelne Teammitglieder einwirken. Zu hoffen bleibt, dass damit Führungskräfte nicht überfordert werden, vor allem nicht jene, die als Personen selbst mit einer Vereinbarkeitsproblematik leben müssen. Mehr dazu auch in unserem Artikel  Fürsorge im „next normal“. 

Empfehlungen für mehr zum Thema:

  • Am 9. Dezember 2020 veranstaltet die WU Wien eine Veranstaltung zum Thema verantwortungsvolles Führen. Mehr -> hier.
  • Testlauf für eine App namens „swoliba“, die Mitarbeiter*innen unterstützt, im Homeoffice produktiv zu arbeiten und die eigene Erholung nicht zu vernachlässigen. Informationen erhalten Sie in diesem -> Video
    Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Angestelltenbetriebsrat des Internationalen Flughafens Wien und der Forschungsgruppe INSO (Industrial Software) der TU Wien durchgeführt. Die Studie wird von der Arbeiterkammer Niederösterreich im Rahmen des Projektfonds Arbeit 4.0 gefördert. In dieser App findet sich eine Vielzahl an wissenschaftlich fundierten Strategien für die Arbeit im Homeoffice, die selbstständig in den Alltag integriert werden können. Der Testlauf ist für Personen und ganze Organisation möglich; die Erhebung startet im Jänner 2021. Nähere Infos Maria Magdalena Mayer (mayer@tuwien.at).