Archiv der Kategorie: Strategie & Organisation

Agilität ist Out. Purpose und Serendipität kommen.

Die ersten Wochen im Jahr sind gerade vergangen und schon zeichnen sich ein paar neue Buzz-Words ab. Wurden in den vergangenen Jahren alle Organisationen auf agil getrimmt, übernimmt gerade der Begriff „Purpose“ die Oberhand. Als Sinn, als verbindender Nutzen einer Organisation zieht er gerade Kreise. Ein wenig als Antwort auf die sinnsuchende Generation Y und Z – aber auch jener „Boomer“, die sich noch im Arbeitsmarkt befindlich berechtigt die Frage stellen: Wozu das Ganze? Dazu braucht es klare, kurze und ehrliche Antworten. Antworten, die aber mehr sind als in MitarbeiterInnen-Broschüren und Intranets publizierte Aussagen. „Purpose driven“ ist eine Organisation dann, wenn ihre Daseinsberechtigung Mehrwert beinhaltet und Aussagen dazu eindeutig und logisch sind: für jene, die sich bei der Organisation bewerben, um dort tätig zu sein, für jene, die darin arbeiten, und für Kunden, LieferantInnen, für die Öffentlichkeit. Das gleitet vielfach in moralisch-philosophische Fragen ab: Wozu gibt es uns? Wie machen wie die Gesellschaft besser? Was tragen wir zur einer gesunden, nachhaltigen Zukunft bei? Der Vorteil des Purpose: keine langwierigen Leitbild-Prozesse, die in Schubladen verschwinden, sondern tieferes In-sich-gehen aller Verantwortungsträger und eine unmittelbare Prüfung durch die Belegschaft.

Echte Innovationen nehmen seit einigen Jahren ab. Wie also im neuen Jahr 2020 noch etwas Neues hervorbringen? Spannend wird es dann, wenn Serendipität zum Prinzip erklärt wird. Darunter versteht man zufällige Entdeckungen. Während ForscherInnen, Suchende, Führungskräfte an einer Sache tüfteln, brüten und die Köpfe rauchen lassen, tut sich – plötzlich – eine Entdeckung für etwas Anderes oder in einem anderen Feld auf. Berühmte Beispiele dafür gibt es vor allem in der Medizin: Viagra war eigentlich als Mittel gegen die koronare Herzerkrankung entwickelt worden. Die Wirkung am Herzen stellte sich aber nicht ein – eine andere sehr wohl. Die Pockenimpfung oder die Röntgenstrahlen dürften einem ähnliche Zufall zu verdanken gewesen sein. Über einen schmelzenden Schokoladeriegel wunderte sich Percy Spencer 1946. Im Labor war es nicht wärmer geworden, er war nur länger vor einer Magnetfeldröhre gestanden. Die Microwelle war erfunden.

„Zufall“, so meinte einst der französische Chemiker Louis Pasteur, „nützt nur dem darauf vorbereiteten Geist.“ Das bedeutet also: Seinen Sie offen für Fehler und machen Sie sich und anderen Mut, zu scheitern – wer weiß, welche großartige Innovation damit erst eintreten wird.

Zurück zu den neuen Wörtern oder Konzepten des Jahres 2020 und zur Ehrenrettung der Agilität, die als „out“ gebrandmarkt wird: Wenn Organisationen unter agil verstehen, allen Teammitglieder je nach Fähigkeit und (Zeit-)Ressource die Möglichkeit zu geben, an den Zielen aktiv mitzugestalten, dann wird das wohl 2020 und darüber hinaus seine Berechtigung haben. Wenn agil heißt, dass unvollkommene, nicht perfekte Lösungen aber viele gute Ideen früh zur Diskussion gestellt werden, dass Beteiligung vieler im positiven Sinne der Weiterentwicklung möglich ist, dann ist das für 2020 noch immer ein wunderbarer Gedanke. Daher: Verabschieden Sie 2020 Buzz-Words. Tun Sie das, was Sie können mit Leidenschaft, beobachten und reflektieren Sie – vielleicht ergeben sich neue Sichtweisen und Muster. Dann kann 2020 nur ein erfolgreiches Jahr werden.

Das gleiche passt nicht immer

Ein Credo, das Kunden und PartnerInnen von mir laufend hören (und wohl schon auswendig kennen) lautet: Do not copy. Wenn eine Strategie bei einer Organisation A funktioniert hat, muss sie nicht zu Organisation B passen. Wenn eine Vorgehensweise für einen Change X passend war, heißt das nicht, dass sie bei Y ebenso gut realisierbar ist. Andere Menschen, andere Hintergründe, andere Problemstellungen machen es notwendig, sich passgenaue Strategien und Vorgehensweisen sehr genau anzusehen. So gesehen ist der Spruch, der wir im Sommer in Kalifornien auf einer Autobahn entdeckten, gerade zu passend für den Change: one size does not fit all.

Von den Schweden reden lernen

Eine „Fika“ ist weder etwas Unanständiges noch eine Strategie fürs Multitasking und schon gar keine Form eines Blitzmeetings. Fika ist die in Schweden übliche Form der institutionalisierten Kaffeepause. Gedacht zum Abschalten und Auftanken: Ein Moment, in dem man die Arbeit hinter sich lässt, und zwar täglich um 10 Uhr morgens und 15 Uhr nachmittags. Fika ist die gemeinsame Pause in der Kollegenschaft und hierarchieübergreifend – egal ob mit Kaffee, Tee oder einer süßen Kleinigkeit.

Tatsächlich zählen die ArbeitnehmerInnen in Schweden zu jenen, die weltweit am wenigsten stressbelastet sind. Auch in anderen Kulturen gibt es solche Rituale: In Großbritannien gibt es den Nachmittagstee und in Spanien, Südamerika und den Philippinen „merienda“. Doch nur wenige Kulturen praktizieren solch ein Wiederaufladen der Psyche mitten am Tag und in der Arbeit so bewusst und regelmäßig wie die Schweden. Der zentral entscheidende Punkt dabei ist wohl, dass die strikte Einhaltung der Fika verpflichtend gemacht wird. Und obwohl nur ein Prozent der schwedischen Angestellten in ihrem 6-Stunden Tag Überstunden machen, sind sie laut dem OECD Better Life Index nicht weniger produktiv als andere Länder.

Wundermensch“ Führungskraft

Führungskräfte müssen „Wundermenschen“ sein. Liest man die aktuelle Management-Literatur, brauchen Führungspersonen ganz besonders viele Eigenschaften und zahlreiche Merkmale, die sie von der Schar an Mitarbeitenden unterscheidet: von Ambiguitätstoleranz bis Zielbewusstsein, von Resilienz bis Leidenschaft. Stellt man sich eine solche Person vor, die mit diesem Rucksack an Führungs-Charakteren ausgestattet ist, dann scheint es ein Wunder zu sein, dass sie nur zwei Beine, zwei Arme und ein Gehirn hat.

Zur besseren Übersicht haben wir eine Liste für Sie zusammengetragen, welches die zentralen „2019er Eigenschaften“ für Sie als Führungskräfte scheinbar sind. Bitte, nehmen Sie diese Übersicht mit Humor und glauben Sie nicht alles, was in Management-Ratgebern steht. Unser Tipp für das kommende Jahr: Suchen Sie sich zwei, drei Eigenschaften aus, die Sie haben und seien Sie stolz darauf. Suchen Sie weitere zwei, drei Eigenschaften, an denen Sie im kommenden Jahr arbeiten wollen. Eine solche Vorgehensweise ist realistisch, nachhaltiger und „M“ wie menschlich.

Führung wirkt, wenn sie ermutigt

Führungskräfte haben es in der Hand: ob das Team, das Projekt, der Veränderungsprozess toppt oder floppt. Ihre Haltung entscheidet weit mehr als ihre Aktivitäten. Die Management-Literatur hat dafür einen neuen Lieblingsbegriff entwickelt ermutigende Führung. Ermutigung ist eine Grundhaltung, die auf Zuversicht fußt und die Führungskräfte nicht nur ihren MitarbeiterInnen gegenüber, sondern auch sich selbst gegenüber entwickelt sollten. Es geht nicht um ein Mehr an Lob, Zufriedenheit und Anerkennung im Jour Fix. Ermutigung zielt nicht auf bereit Erreichtes, das es hervorzuheben und zu betonen gälte. Ermutigung zielt auf Künftiges. Sie soll den nächsten und übernächsten Schritt begleiten. Vor allem dann, wenn Probleme, Hindernisse oder unlösbar Scheinendes auftritt, brauchen Mitarbeitende Ermutigung. Durchzuhalten, etwas zu wagen, dranzubleiben, sich zu überwinden. Ermutigung wirkt der Resignation entgegen. Wenn Sie mehr über das Thema lesen wollen: Winfried Berner hat mit KollegInnen einen spannenden Ratgeber für eine „Kultur des Wachstums“ verfasst und sich der ermutigenden Führung und wie man sie umsetzt, gestellt: Mehr unter Ermutigende Führung/Berner

Unsicherheitsabsorption – was ist das denn?

Wir leben in einer Zeit, in der Unsicherheit zunimmt, Vorhersagen, was morgen sein wird, schwierig bis unmöglich werden, in der Change „The new normal“ (IBM 2012) ist. Dennoch messen und kontrollieren Unternehmen und Organisationen weiterhin den Status Quo der Gegenwart, planen strategisch die Zukunft, koordinieren Menschen und Prozesse. Sie geben Planungssicherheit mitten in Zeiten von Unsicherheit. Der Soziologe Niklas Luhmann meinte einmal, Unternehmen und Organisationen existieren allein zu einem Zweck, Unsicherheit zu reduzieren. Ihre Aufgabe als Konstrukt ist es, jede Unsicherheit zu absorbieren, Komplexität zu reduzieren und damit Sicherheit zu geben.

Der Begriff der Unsicherheitsabsorption kommt aber auch aus der Kommunikationswissenschaft. Hier bedeutet es, dass aus gesendeter Information vom Empfänger unsichere Schlüsse gezogen werden. Der Empfänger kommuniziert diese Schlüsse weiter – nicht aber die Information. Wer immer mit den Schlüssen konfrontiert ist, kann sich nur mehr an diesen und nicht an der Ausgangslage orientieren. Kommt Ihnen das im Zusammenhang mit der aktuellen medialen oder politischen Debatte bekannt vor?

Langweilt Euch!

Wann haben Sie das letzte Mal gar nichts getan? Wirklich gar nichts? In der Sonne gelegen, ohne den Facebook- oder Twitter-Account zu checken? Wolken zuzusehen, wie sie sich verändern, ohne an die Abarbeitung von ToDo-Listen zu denken? Eine Ameise beim Arbeiten beobachten, ohne an das nächste Meeting zu denken?

Mehr und mehr verkürzen wir auch die Phasen des natürlichen Leerlaufes. Wenn wir eine U-Bahn versäumen, checken wir Mails. Wenn wir in einer Schlange vor der Kasse stehen, fühlen wir uns gestresst und verfassen einen Tweet. Wenn uns ein Film im Kino langweilt, surfen wir auf dem Smartphone.   

Gerade Führungskräften fällt es zunehmend schwer, nichts, wirklich gar nichts zu tun. Für sie wäre es aber in dringendem Maße notwendig, sich ab und zu einmal zu langweilen. Erstens ist es ein toller Check, um zu sehen, wie es um den eigenen Burn-Out-Status steht. Wer noch Muße findet, nachzugeben, nichts zu tun, kann abschalten und Ruhepause einnehmen. Zweites ist Langeweile eine gute Voraussetzung für Kreativität. Erst durch Langeweile kann unser Gehirn so richtig kreativ tätig werden, zeigt eine Studie zweier Psychologinnen von der University of California. Sandi Mann und Rebekah Cadman ließen Probanden sich langweilen, bevor sie ihnen eine kreative Aufgabe stellten. Deren Ergebnisse waren im Vergleich über 40% besser als jene der Vergleichsgruppen.

Das Motto für den Sommer lautet also: Müßiggang statt Optimierungszwang.

Auf den Sperrmüll

Zwei Mal im Jahr fand bei uns am Land früher die Sperrmüll-Aktion statt – einmal mitten im Sommer. Große, ungenutzte oder abgenutzte Gegenstände konnten vor die Tür gestellt werden und wurden binnen drei Tage abgeholt. Weg waren sie. In der Großstadt gibt es das nicht. Wer eine alte Matratze oder eine Kredenz der Großmutter loswerden will, muss selbst zur Sammelstelle fahren. Damit wird das Loslassen von Altem schwerer.

Eine Sperrmüll-Aktion wie damals, das täte vielen Organisationen heute gut. Ein bis zwei Mal im Jahr alte Stapel von Papier, die niemand liest, wirklich weg zu werfen, statt zu verstauen.

Prozesse und Abläufe auf ihr Sinnhaftigkeit zu prüfen und bevor sich unnotwendige Schleifen manifestieren, diese zu lösen. Wichtig dabei ist ein bewusster Akt: Entsorgen Sie überkommenen Dinge auch wirklich sichtbar!

Ein CEO, mit dem wir viel und gerne arbeiten, trommelt zwei Mal im Jahr seine Belegschaft zusammen. Dann wird alles ausgemistet, was nicht mehr  gebraucht und nicht mehr sinnvoll ist und vor den Augen aller zerrissen oder weggeschafft.

Matilda, Matilda

Matilda ist klein. Sie ist etwa 50 Zentimeter hoch und hat keinen Hals. Dafür große kreisrunde „Telleraugen“, die jede noch so kleinste Bewegung registrieren und damit mögliche Gefühlsschwankungen analysieren. Matilda ist Eigentum der Australischen Universität La Troube und ihr Job ist es, Bewerbungsgespräche zu führen. Sie stellt potenziellen Kandidaten 76 Fragen und analysiert Antworten plus Minenspiel. Aus der Kombination errechnet sie, welche Person für die jeweils ausgeschriebene Stelle am besten geeignet sei.

Entwickelt wurde Matilda von Professor Rajiv Khosla, Direktor des Forschungszentrums für Computer, Kommunikation und Soziale Innovation der La Trobe Universität. Mehr über die beiden finden Sie auf diesen Youtube-Video.

Sie finden, die Automatisierung und Digitalisierung geht zu weit? In wie weit gefährden selbstfahrende Autos, Drohnen-Paket-Zustellungen oder Datenanalysen menschliche Arbeitsplätze? Zwei Oxford-Professoren, Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborn, haben 2013 702 Jobprofile analysiert, in wie ferne sie sich durch Digitalisierung ändern. 47% der Arbeitsplätze, so die Autoren, werden mittelfristig von Robotern und Computern übernommen werden. Die Studie finden Sie hier: The future of Employemt.  A.T. Kearney sieht einer Studie zufolge in den nächsten 25 Jahren durch die Digitalisierung 44 Prozent aller österreichischen Arbeitsplätze bedroht. Mehr unter Studie sinkende Wertschöpfung.

Ohne Mitarbeiter, Hierarchie und Vorgaben

Das Unternehmen W.L. Gore & Associates, bei uns unter dem Produktnamen Gore-Tex für wasserfeste Textilien bekannt, arbeitet ohne Vorgesetzte, ohne MitarbeiterInnen und auf Basis von Abmachungen. Kann das gut gehen? Bis jetzt ja. Denn das Unternehmen hat seit der Gründung vor 59 Jahren bislang keine Verluste gemacht und zählt zur Gruppe der 200 größten US-Privatfirmen mit geschätzten 2 Mrd. US$ pro Jahr. Umsatzzahlen gibt die Firma keine bekannt, dafür erzählt sie mehr über ihre Unternehmenskultur.

Gore ist alles andere als ein herkömmlicher Arbeitsplatz. Sie versteht ihre weltweit rund 10.000 MitarbeiterInnen als Teilhaber und nennt sie „Associates“. Associates geben persönlich ein Commitment ab, zum Wachstum des Unternehmens beizutragen. Dafür werden jedes Jahr elf Prozent des Bruttogehaltes in Aktien der Firma angelegt.

Hierarchien gibt es nicht: Jede Associate spricht jeden anderen direkt an. Damit die interne Kommunikation reibungsfrei funktioniert, ist kein Werk von Gore größer als 150 Personen bzw. 200 im Schichtbetrieb. Anstelle von Vorgaben gibt es Abmachungen unter den Associates. Vorgesetzte, so genannte Leaders, werden vom Team auf Zeit oder die Dauer eines Projektes gewählt. Sie kommen anschließend wieder in die Rolle einer KollegIn zurück. Probleme damit scheint es nur nach Außen zu geben, wenn ein Gesprächspartner einer Bank oder eines Lieferanten mit dem gleichgestellten Gore-Vis à Vis reden möchte. Auch dafür gibt es eine Lösung: Jede Associate hat Visitenkarten und trägt den notwendigen Rang einfach selbst ein.